Tarif für die Angehörigenpflege
6. März 2025
Motion der Fraktionen FDP (Sprecherin Jeanine Glarner, Möriken-Wildegg), Mitte und SVP vom 4. März 2025 betreffend Tarif für die Angehörigenpflege
Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, die kantonale Tarifordnung in Anhang 3 zur Pflegeverordnung (PflV) so anzupassen, dass für Leistungen, die von angestellten pflegenden Angehörigen erbracht werden, keine Restkosten für die Gemeinden entstehen.
Begründung:
Seit dem Jahr 2019 können sich Personen, die KLV-C-Leistungen für Angehörige übernehmen, bei Spitexorganisationen anstellen lassen und so einen Lohn für ihre Arbeit erhalten. Seither sind viele neue Spitexunternehmen gegründet worden, die sich auf die Erbringung dieser Leistung spezialisiert haben. Seit Monaten werben sie mit TV-Werbung zur Primetime und Werbung in den online-Gefässen aggressiv um neue sogenannte pflegende Angehörige. Diese Entwicklung zeigt, dass dies ein lukratives Geschäftsmodell darstellt, bei welchem private Unternehmen auf Kosten der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler sowie Steuerzahlerinnen und Steuerzahler viel Geld verdienen.
Dies beweist auch ein Blick in die Abrechnungen der kantonalen Clearing-Stelle für die Jahre 2018 bis 2024. So sind der Gemeinde Möriken-Wildegg seit Q3/2022 stark steigende Restkosten entstanden. Für das Jahr 2024 sind knapp CHF 110’000.- für die Angehörigenpflege angefallen – und dies bei einer einstelligen Anzahl Fälle. Das dürfte für viele Gemeinden im Kanton Aargau exemplarisch stehen. Ein starkes Wachstum aufgrund von Mitnahmeeffekten wird erst für die kommenden Jahre erwartet. Mitnahmeeffekte entstehen dort, wo Angehörige Pflegeleistungen heute ganz selbstverständlich in ihrer zivilrechtlichen Verantwortung ohne Entschädigung erfüllen und auf keine Erwerbstätigkeit verzichten, aufgrund des neuen (aggressiven) Angebots dafür künftig eine Entlöhnung erhalten.
Der Regierungsrat hat die Problematik erkannt und im Herbst 2024 auf die Entwicklung bereits reagiert. Er hat die Normkosten / Stunden für KLV-C-Leistungen, die von angestellten pflegenden An-gehörigen erbracht werden, per 1. Januar 2025 um 10 Franken auf CHF 80.40 für die dezentrale Leistungserbringung und auf CHF 78.10 für die räumlich begrenzte Leistungserbringung gesenkt.
Dieser Tarif dürfte aber immer noch deutlich zu hoch sein. Wie sonst lässt sich erklären, dass die Unternehmen so viel Geld in Marketing- und Werbemassnahmen investieren? Die Angehörigenpflege ist wichtig und es ist auch richtig, dass Personen, die auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, um Ange-hörige zu pflegen, einen Lohn dafür erhalten. Es ist aber stossend, wenn private Unternehmen mit diesen pflegenden Angehörigen und auf Kosten der Prämien- und Steuerzahlerinnen und -zahler sehr viel Geld verdienen.
Die pflegenden Angehörigen erhalten je nach Anstellung einen Stundenlohn von CHF 35.00 bis 37.50. Dieser Lohn für eine Arbeit ohne entsprechende Ausbildung ist in Anbetracht der Entlöhnung von bei Spitex angestellten Pflegehelferinnen und -helfern ohne Ausbildung von ca. CHF 28.00 bis 30.00 sehr hoch. Dennoch, bei einem Lohn von CHF 35.00 dürften die Personalkosten für die Firma bei CHF 42.00 liegen. Unter Annahme des in Spitexorganisationen bekannten Kostenverhältnisses zwischen Personal- und Verwaltungskosten von 85/15 Prozent dürften die Vollkosten pro Stunde bei keinen CHF 50.00 liegen. Der Versichererbeitrag pro Stunde liegt bei CHF 52.60. Somit wäre eine Senkung der Normkosten für KLV-C-Leistungen, die von angestellten pflegenden Angehörigen er-bracht werden, auf den Versichererbeitrag von CHF 52.60 absolut vertretbar. Bei Annahme eines Stundenlohnes von CHF 30.00 dürften die Vollkosten für die Unternehmung bei ca. CHF 42.00 lie-gen. So würden die pflegenden Angehörigen weiterhin eine Entschädigung erhalten, es entstünden aber keine Restkosten mehr für die Gemeinden und die Attraktivität dieses Geschäftsmodells auf Kosten der Allgemeinheit dürfte auf ein vertretbares Mass abnehmen.