Sara Schibli: 1. August-Rede in Suhr
1. August 2025
Ich freue mich, heute bei ihnen unseren Nationalfeiertag – den ersten August zu feiern. Heute an dem Tag, an dem wir zusammenkommen und unsere Werte wie Neutralität, Direkte Demokratie, Konsens, Vielfalt und Toleranz sowie Solidarität feiern. Wichtige Werte, welche uns ausmachen. Wichtige Werte, welche uns aus der Vergangenheit prägen und fest verwurzelt sind in uns. Suhr war schon immer ein präsenter Ort in meinem Leben: Dreh- und Angelort- zwischen dem Wynen- und Suhrental, Dreh- und Angelort- aus dem Wynental Richtung Kantonshauptstadt Aarau.
Ich bin in Unterkulm aufgewachsen: eine meiner ersten Kindheitserinnerungen das grandiose Kinderparadies im Pfister! Ich glaube wir haben diese Synergien ziemlich oft genutzt: Meine Mutter konnte ungestört lädele – ich konnte im Kinderparadies klettern, spielen und eine gute Zeit verbringen. Für beide also eine win win Situation. Als Jugendliche hatte ich in Suhr Partys im Rundhaus besucht und amüsante Abende verbracht. Nun als Erwachsene, wurden meine Aufenthalte in Suhr etwas ernsthafter: letztes Jahr wurde ich als Gemeinderatsmitglied am Apero von ihrem Jugendfest eingeladen, ich nehme an politischen Anlässen teil und verfolge die Gemeinde Suhr aus der unmittelbaren Nachbarschaft: Mit meinem Partner und unseren drei Kindern wohne ich in Unterentfelden und habe immer einen (leider muss ich zugeben) einen etwas neidvollen Blick nach Suhr. Nein – Neid ist eine schlechte Eigenschaft (und versuche ich mir abzugewöhnen), daher sagen wir einen aufmerksamen Blick Richtung Suhr.
Ich staune, wie positiv sich Suhr weiterentwickelt hat. Vom grauen Mäuslein zum strahlenden Zentrum vor den Toren Aaraus.
Weil aus meiner Sicht immer wichtig ist, woher man kommt und welche Vergangenheit man hat: ein grober geschichtliche Exkurs, auf das ich in meiner Recherche gestossen bin. Suhr wird 1048 erstmals als «Suhra» erwähnt. Auch ein interessantes Detail für mich: 1812 kapseln sich die Dörfer Buchs, Rohr und Unterentfelden politisch ab von Suhr. Wir haben also mal zusammengehört! Ich wäre also fast eine von ihnen geworden. Das Dorf ist rund um den Suhrekopf gewachsen. Im Jahr 1834 wurde eine grosse Anzahl der Gebäude durch zwei verheerende Brände zerstört – ein Rückschlag. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Suhr zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort der Region. Der wirtschaftliche Boom ausgelöst durch die örtliche Industrialisierung, liess das ehemalige Bauerndorf verschwinden und machte Platz für Neues! Im Jahr 1900 zähle Suhr rund 1’800 Einwohnerinnen und Einwohner währen den 1950 Jahren wuchs Suhr um unglaubliche 70% – Immer mehr Industrie- und Dienstleistungsbetriebe siedelten sich in Suhr an – 1967 wurde die Autobahn zwischen Oensingen und Hunzenschwil eröffnet – die Bevölkerung nahm stetig zu.
Heute zählt Suhr 11’500 Einwohnerinnen und Einwohner und die Prognosen zeigen weiter nach steil oben: Bis im Jahr 2040 rechnet man mit 14’000 Einwohnerinnen und Einwohner! Sie werden also voraussichtlich um ein Dorf der Grösse von Unterentfelden wachsen in den nächsten 15 Jahren.
Das fasziniert mich an Suhr: Die Gemeinde scheut keine Veränderung und blickt mit einer sicheren Haltung in die Zukunft: Wachsen und flexibel sein bedeutet, sich ständig an Veränderungen anzupassen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Es erfordert eine offene Haltung gegenüber Neuem und Veränderungen, um sich sowohl persönlich als auch in der Gemeinschaft weiterzuentwickeln. Flexibel muss man sein, um auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen und gleichzeitig bereit zu sein, diese unterdessen anzupassen, wenn sich Umstände ändern.
Das ist ihnen in den letzten 150 Jahren sehr gut gelungen: Suhr ist eine lebendige, aufstrebende Gemeinde in den Region Aarau. Die Vielfältigkeit zeichnet Suhr aus und macht die Gemeinde zu einem beliebten Wohn- sowie Arbeitsort. Dazu tragen unter anderem auch die ansprechenden kulturellen Angebote und die grossen Bandbreiten an Vereinen und Sportangeboten bei. Eine tragende Säule für das aktive Zusammenleben ist das freiwillige Engagement in der Bevölkerung! Man spürt: Suhr lebt! Suhr ist motiviert!
Einige Beispiele dazu sind ..
- Der Gilgenplatz: ein beliebter und gemütlicher Treffpunkt im Aussenraum
- Das ehemaliges Industrieareal Henz vereint vielfältige Nutzungen und übernimmt eine wichtige Verbindung zwischen Suhr Süd und dem Zentrum
- ODER eine Gruppe von Suhrerinnen und Suhrer haben sich zusammengeschlossen und betreiben seit 2022 mit einem vielfältigen Angebot die gemieteten Räumlichkeiten des alten Konsum
- Bärenmatte: Konzerte, Kongresse, Comedy, Politische Veranstaltungen erleben: Im Jahr 2023 führte Zukunft Suhr ein Ständerätinnen Podium durch, anschliessend wurde unsere Marianne Binder als Ständerätin gewählt. ODER der Empfang am 4.12.2024 von Maja Riniker die Nationalratspräsidentin und höchste Schweizerin – was für wunderschöne Momente!
All diese Treffpunkte und Plattformen dienen der Auseinandersetzung untereinander und dem Austausch in der Gesellschaft. Einmal ganz niederschwellig, einmal ganz gezielt und komplex.
Um sich stetig und organisch weiterzuentwickeln ist es wichtig, als Gesellschaft in Kontakt bleibt – den Austausch untereinander zu behalten.
Wie stellt man das an? Dafür müssen Plattformen geschaffen werden: Teilnahme oder Partizipation durch öffentliche Umfragen im Internet, Dorfspaziergänge, Tischgesprächen in den Quartieren, Informationsforen, Befragung von Schulklassen, öffentliche Podiumsdiskussionen sowie Konferenzen uvm. Die Auswahl hier bei ihnen ist gross.
Plattformen allein reichen jedoch nicht, diese müssen genutzt werden. Das Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner muss da sein. Auf diesem Weg kann man Inputs hinterlassen: beeinflussen – mitreden – sich einbringen. Aus den vielen eigenen Persönlichkeiten entsteht somit ein WIR und ein «ich bin Suhr». Ich motiviere sie an dieser Stelle sich einzubringen, diese Plattformen zu nutzen und sich am gemeinschaftlichen Leben zu beteiligen. Es ist immer interessant, wie aus verschiedenen Blickwinkeln eine Diskussion entsteht und was dies für Lösungen entstehen.
Und dies zeichnet uns in der Schweiz aus: In der Schweiz ist das Konzept der Gemeinschaft von zentraler Bedeutung und prägt viele Aspekte unseres gesellschaftlichen Lebens.
- Politische Gemeinschaft: In der Schweiz gibt es ein einzigartiges System der Konkordanz, bei dem verschiedene politische Parteien gemeinsam eine Regierung bilden. Dies fördert den Dialog und die Zusammenarbeit über parteipolitische Grenzen hinweg. Die politische Stabilität und die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen, sind Ausdruck dieser gemeinschaftlichen Haltung.
- Quartiere und Nachbarschaften: Quartiere tragen zur Lebensqualität bei. Gemeinschaftsprojekte, wie ZB ein gemeinschaftlicher Garten, stärken den sozialen Zusammenhalt und schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Menschen kommen zusammen, um ihre Umgebung zu verschönern und gemeinsam etwas zu erschaffen.
- Vereine und Organisationen haben in der Schweiz eine reiche Tradition. Diese Organisationen bieten nicht nur eine Plattform für gemeinschaftliches Engagement, sondern fördern auch die persönliche Entwicklung, Teamarbeit und die Pflege von Freundschaften. Ereignisse und Aktivitäten, die von Vereinen organisiert werden, schaffen unvergessliche Erlebnisse und stärken den Gemeinschaftsgeist.
Insgesamt zeigt sich, dass Gemeinschaft in der Schweiz ein wesentlicher Faktor für das individuelle Wohlbefinden von unserem kollektiven Leben darstellen. Sie bietet Halt, fördert den Austausch von Ideen und schafft schöne Erlebnisse, welche unser Leben bereichern.
Neben der heutigen elektronischen Weiterentwicklung ist es essenziell wichtig, dass wir auch in realen Leben in Kontakt bleiben und verbunden sind. Ich bin eine Befürworterin der elektronischen Entwicklung. Ehrlichgesagt bin ich auch mit Jg 1984 damit aufgewachsen. Die neusten Möglichkeiten mit Chat GPT und künstlicher Intelligenz sind aus meiner Sicht eine interessante Sache. Es muss jedoch sinnvoll genutzt und eingesetzt werden.
Zeit sparen um jeden Preis ist aus meiner Sicht ein schlechter Begleiter: Der Verlust der Gemeinschaft ist nicht zu unterschätzen und bietet vermehrt Gefahren. Die Krux ist also für den modernen Menschen, neben aller Effizienz, sich Zeit nehmen für Familie, Freunde, sowie sein persönliches und erweitertes Umfeld.
Eine der kleinsten jedoch eine sehr prägende Gemeinschaft in unserer Gesellschaft ist die Familienkonstellation. Auch hier gibt es eine Hierarchie, ein Mitspracherecht, Parlament und eine Regierung (im besten Fall bilden die Eltern die Regierung). Der respektvolle Umgang, die gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Erlebnisse bieten hier den Grundstein für eine starke Gemeinschaften. Wichtig ist, dass wir dies unseren Kindern vorleben.
Ein Workshop über Nutzung von elektronischen Geräten in der Schule ist zwar hilfreich, die Verantwortung über deren Nutzung liegt jedoch bei den Eltern und kann nicht delegiert werden. Manchmal sind wir bemüht, unsere Kinder möglichst effizient auf das Leben vorzubereiten. Das ganz einfache bleibt manchmal auf der Strecke.
- Konflikte, welche von den Kindern direkt ausgetragen werden, sind manchmal für uns Eltern nicht einfach, sind jedoch so wichtige Erfahrungen. Denn es wird noch manche Konflikte im Leben geben.
- Oder eine Teilnahme am Clean up Day, welcher der ortsansässige Natur- und Vogelschutzverein im Dorf organisiert: Die Kinder arbeiten mit und lernen, weshalb es wichtig ist den Abfall nicht auf der Strasse liegen zu lassen.
- Die Nutzung einer Bibliothek: Die Kinder lernen, den Sachen sorgen zu tragen, da sie das Buch wieder ganz in der Bibliothek zurückgeben sollten. Sie lernen den Austausch und die Nutzung von Büchern in der Gemeinschaft – sie lernen zu teilen.
Da Vorleben und Miterleben viel wirksamer sind als predigen, erscheint es mir wichtig, Kinder bereits früh und ganz natürlich in solchen Themen zu involvieren.
Das aktive Zusammenleben ist eine tragende Säule für unsere erfolgreiche Gemeinschaft. Heute ein Moment, an dem wir zurückblicken dürfen und stolz sein dürfen, auf das, was wir gemeinsam erreicht haben. Im ganz Kleinen wie auch im ganz Grossen. Heute nehmen wir uns Zeit dafür.
Darauf möchte ich den Fokus legen: Jeder Vereinsmitgliedschaft, jede Freundschaft, jeder auch noch so kurze Austausch im Dorf wenn man noch rasch Milch besorgen geht mit dem Velo, das gemeinsame Feiern hier und jetzt an diesem ersten August trägt dazu bei zu dem, was uns ausmacht: Zusammenkommen –Zusammensein – Austauschen – Nachfragen – Anbieten –zuhören oder einfach mal erzählen (viel zu lange). Dieser Austausch bereichert unser Leben. Es gibt Plattformen für Ideen. Es gibt Plattformen für Veränderungen.
Heute hat der Gemeinderat Suhr eingeladen, um gemeinsam den ersten August und unsere Werte zu feiern. Und sie alle sind dieser Einladung gefolgt. Eigentlich eine ganz einfache Sache – jeder ein kann heute dieses gute Gefühl mitnachhause nehmen.
Liebe Suhrerinnen, liebe Suhrer, heute stehen wir hier zusammen, um nicht nur unseren Nationalfeiertag zu feiern, sondern auch um die Werte zu würdigen, die uns als Gemeinschaft ausmacht und verbinden. Werte wie Neutralität, direkte Demokratie, Konsens, Vielfalt, Toleranz und Solidarität sind die Grundpfeiler unserer Gesellschaft und machen uns stark.
Suhr hat sich über die Jahre zu einem lebendigen Zentrum entwickelt, und die positive Dynamik, die hier herrscht, ist inspirierend. Sie haben die Chance, in einer Gemeinde zu leben, die Veränderungen nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gestaltet wird. Das Wachstum und die Entwicklung Suhrs sind ein Beweis dafür, dass wir gemeinsam viel erreichen können.
In der heutigen Zeit, in der das digitale Leben uns zunehmend prägt, dürfen wir den persönlichen Kontakt und den Austausch untereinander nicht vernachlässigen. Es sind die Begegnungen im Alltag, die uns verbinden und das Gefühl der Gemeinschaft stärken. Jeder von uns hat die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten.
Lasst uns diesen ersten August als Anlass nehmen, um nicht nur auf die Vergangenheit zurückzublicken, sondern auch auf die Zukunft: Gemeinsam können wir die Herausforderungen annehmen und die Chancen nutzen, die vor uns liegen. Indem wir uns gegenseitig unterstützen und inspirieren, schaffen wir eine lebendige Gemeinschaft, die auch in den kommenden Jahren bestehen bleibt – eine stabile Grundlage bildet und weiterwächst.
Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute hier sind, und dass wir gemeinsam feiern dürfen, was uns ausmacht. Lassen Sie uns weiterhin in Kontakt bleiben – für ein starkes und solidarisches Suhr, für einen starken und solidarischen Kanton Aargau und für eine starke und solidarische Schweiz.
Auf einen schönen Nationalfeiertag und auf die Zukunft von unserer Gemeinschaft!