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Rede Edith Saner Präsidialfeier, Sitzung des Grossen Rates in Aarau

7. Januar 2020

Zuerst bedanke ich mich bei Renata Siegrist herzlich für die Eröffnung dieser heutigen Sitzung. Vor allem bedanke ich mich bei ihr für die lehrreiche Zeit und die sehr gute Zusammenarbeit im letzten Jahr. Du bist mir Vorbild mit Deiner Gelassenheit und deiner selbstkritischen Haltung. Ich wünsche Dir nun von Herzen wieder ein gutes Eingewöhnen auf dem Platz als Grossrätin und viel Freude und Erfolg in deinem weiteren Wirken.

Pascal Furer und Elisabeth Burgener Brogli gratuliere ich zu ihrer sehr guten Wahl. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und weiss jetzt schon, dass ich von Eurer Erfahrung und Eurem Wissen viel profitieren kann.
Und ich bedanke mich bei Ihnen allen, dass Sie mich zu diesem ehrenvollen Amt als Grossratspräsidentin gewählt haben. Ich danke Ihnen für das mir bereits jetzt entgegen gebrachte Vertrauen. Ich fühle mich geehrt und freue mich sehr. Ich habe aber auch gleichzeitig grossen Respekt vor all den Aufgaben, die auf mich zukommen. Zu wissen, dass ich auf ein professionelles Netzwerk zählen darf und zu wissen, dass mir viele erfahrene Menschen in diesem Jahr auch Tipps und Rückmeldungen geben werden, gibt mir in dieser für mich neuen Situation Sicherheit.

«Vielfalt Aargau» ist das Motto in meinem Präsidialjahr. Vielleicht denken einige von Ihnen: «Naja, nichts Spezielles und nichts Neues, – ein Begriff, der irgendwie bekannt vorkommt.» Als wir auf der Suche nach einem für mich stimmigen Motto waren, erging es mir zuerst auch so. Je länger ich aber über «Vielfalt Aargau» nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich gerade dieser Vielfalt, wie wir sie alle bereits kennen, vertiefte Beachtung in meinem Präsidialjahr schenken will.

Hermann Hesse hat sich zur Vielfalt folgendermassen geäussert: «In Wirklichkeit aber ist kein Ich, auch nicht das Naivste, eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige Welt, ein kleiner Sternenhimmel, ein Chaos von Formen, Stufen und Zuständen, von Erbschaften und Möglichkeiten.»

Wenn ich mir aufgrund dieser Worte von Hesse vorstelle, welche Vielfalt hier in diesem Saal ist, welche Vielfalt jede Person in sich trägt und welche Vielfalt alle in ihrer Familie, ihrem Dorf, ihrem Bezirk erleben, so habe ich grosse Achtung, was da an Wissen und Erfahrung zusammenkommt. Wissen und Erfahrung, die Sie alle in der Funktion als Grossrätin/Grossrat/Regierungsrat einbringen. Und im Austausch mit anderen eine noch grössere Vielfalt erleben.

«Vielfalt Aargau» ist geprägt durch die unterschiedlichen Regionen, die Dialekte, die abwechslungsreichen Landschaften, die Seen und Flüsse, die spannende zum Teil auch etwas komplizierte Geschichte. Sie ist geprägt durch die Arbeit von Menschen aus verschiedenen Berufsrichtungen und Kulturen und durch all das, was in unserem Kanton erzeugt, produziert und erlernt wird. Sie ist geprägt durch die Vergangenheit, die uns in unserer Gegenwart beeinflusst.

Und vielleicht geht es auch Ihnen ab und zu so. Wenn Sie sich mit einem Thema intensiv befassen, sich mit anderen Menschen darüber austauschen, öffnen sich plötzlich ganz neue vielfältige Perspektiven. Ich finde es wichtig, dass man diese neu gewonnene Vielfalt bei der weiteren Umsetzung berücksichtigt. Oder wenn Sie als Höhepunkt einer Wanderung auf einen der vielen Aussichtstürme im Aargau steigen, durch diesen Blick von oben das Nahe und Ferne anders und neu sehen, die Vielfalt sogar als Einheit erkennen und mit diesem Wissen wieder zurück auf den Boden gehen, dann spüren Sie eine Zufriedenheit und Fülle in sich. Vielfalt wahrzunehmen, mit Vielfalt umzugehen, ist aus meiner Sicht ein Privileg. Menschen, die von Schicksalsschlägen geplagt sind, kaum Wohlstand erleben, in keinem sozialen Netzwerk eingeschlossen sind, haben Mühe, die Vielfalt zu erkennen. Sie treffen deshalb auch oft weniger breit abgestützte, eher einseitige und wenig nachhaltige Entscheidungen. Vielfalt hat also auch etwas mit einem Hauch Luxus zu tun.

Vielfalt als Politikerin und Politiker zu erkennen und zu erleben ist ein Geschenk, das zugleich verpflichtet. Es verpflichtet uns, mit dieser Fülle achtsam umzugehen, Wissen und Erfahrung nicht anhäufen ohne weiterzugeben, die Vielfalt in Lösungen und Massnahmen einfliessen zu lassen. Wir müssen uns bewusst sein, wie schnell sich die Vielfalt verändern kann, sollten wir nicht verantwortungsbewusst damit umgehen. Die Wählerinnen und Wähler haben uns ihr Vertrauen gegeben, damit wir uns mit dem, was wir tun, vertieft auseinandersetzen und gemeinsam weiterentwickeln. Sie haben uns ihr Vertrauen gegeben, damit wir in der ganzen Vielfalt nicht stillstehen, sondern den Mut haben, unseren Kanton innovativ weiter zu bringen. Dies mit Wissen, Erfahrung, Ausdauer, Visionen, Humor und der Fähigkeit, Rückschritte als wichtigen Teil eines ganzen Prozesses anzunehmen.

Ich habe als Symbol zu meinem Motto drei farbige ineinander bewegende Kreise ausgewählt. Grün, gelb und blau. Grün und Gelb sind die Farben meiner Wohngemeinde, der ich viel zu verdanken habe. Ich hatte dort die Möglichkeit, mein Wissen schon früh im Bereich Gesundheit und Kultur einzubringen, noch bevor ich den Schritt in die Politik wagte.
Und manchmal denke ich, eine politische Karriere ist wie ein guter Wein. Es braucht Zeit, die richtigen Wetterlagen, eine gute Gärung, es braucht Mentoren in Form von Kellermeisterinnen und -meistern, ein förderliches Kellerklima und vieles mehr. Nur so kann sich ein Tropfen bilden, der nicht nur abgerundet und schön ist, sondern als guter Wein durch seine Vielfalt von Gerüchen und Geschmäckern auch Kanten und Ecken zeigt. Die Gemeinde Birmenstorf mit gelb und grün war mir eine gute Lehrmeisterin in meinem politischen Gärprozess.
Durch mein politisches Schaffen auf der kommunalen wie auch kantonalen Ebene lernte ich die Vielfalt des Kantons Aargau schätzen. Und so schwingt auch der blaue Kreis für diesen Kanton mit. Blau, als Symbol für die verschiedenen Flüsse und ihr prägendes Landschaftsbild.

Mein Ziel in diesem Präsidialjahr ist, dass weitere farbige Kreise dazukommen, und ich mein Wissen über unseren Kanton zusammen mit anderen Menschen erweitern kann. Ich möchte nicht nur selbst Vielfalt erleben, sondern auch Ihnen hier im Saal davon im Verlaufe des Jahres etwas weitergeben.

Ich wünsche mir und Ihnen in diesem Jahr, wie Hesse es formuliert hat: «eine höchst vielfältige Welt, ein kleiner Sternenhimmel, verschiedene Formen, Stufen und Zustände von Erbschaften und Möglichkeiten.»

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