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Hochs und Tiefs

26. September 2023

Kommentar zur Sitzung des Grossen Rats vom 19. September 2023

«Und, welche Highlights erwarten euch heute im Rat?», so die Frage eines Bekannten während meiner morgendlichen Zugsfahrt nach Aarau. «Das ist schwer vorauszusagen», antworte ich und verabschiede mich in die Fraktionssitzung. Rund zwei Stunden später sitze ich an meinem Platz in der Mitte der hintersten Reihe im gefüllten Grossratssaal. Ich blicke auf den leeren Sitz in der vorderen rechten Saalhälfte und versuche die Erklärungen des Ratspräsidenten, wieso dieser Sitz heute leer bleiben wird, zu verarbeiten. Selten in meinem Leben fühlte ich mich weiter entfernt von einem Highlight als genau in diesem Moment. Nur mit halbem Ohr folge ich der zähen Diskussion zum Gebührenrecht und bin dankbar für die Trockenheit und Emotionslosigkeit der Thematik, welche Raum zum Nachdenken und sich sammeln lässt. Es folgen Motionen und Postulate, die grösstenteils abgeschrieben werden können und ebenfalls wenig Mitdenken fordern.

So bin ich gegen Mittag – trotz knurrendem Magen – bereit, mich auf das (für eine Rechtsanwältin) sehr interessante Vorprojekt «Justitia 4.0» einzulassen. Dieses Jahrhundertprojekt hat zum Ziel, die schweizerische Justiz bis Ende 2026 vollständig zu digitalisieren. Das Papier verschwindet und der Rechtsverkehr und die Akteneinsicht erfolgen ab 2027 ausschliesslich in elektronischer Form. Die Gerichte Kanton Aargau werden mit der Umsetzung in den kommenden drei Jahren enorm gefordert sein. Dass ihnen dafür zusätzliche personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung stehen müssen, ist erfreulicherweise über alle Parteien hinweg unbestritten.

Nach einem feinen Mittagessen und guten Gesprächen im Kreise der Fraktionskolleginnen und -kollegen, starte ich die Nachmittagssitzung mit dem nächsten Geschäft aus dem Justizbereich. Das Dekret über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif) wird an die bevorstehenden Gesetzesänderungen und die Bedürfnisse der Praxis angepasst. Beides unbestritten. Ergänzend dazu sind wir in der Justizkommission der Meinung, dass es – wenn der Anwaltstarif sowieso revidiert wird – Sinn macht, auch gleich die seit Jahren zu tief veranschlagten Stundenansätze von Strafverteidigern anzuheben. Was oft vergessen wird: Vom verrechneten Stundentarif einer Anwältin oder eines Anwalts gehen rund Fr. 160.00 zur Deckung der Selbstkosten weg. Nur die Differenz ist der tatsächliche Lohn. Erfreulicherweise kann eine Mehrheit des Rats meiner Argumentation folgen und heisst den Antrag der Justizkommission gut.

Ich freue mich über den Erfolg und überlege: «Ist das mein Highlight?»
Karin Koch Wick
Co-Präsidentin | Die Mitte Aargau, Co-Präsidentin | Die Mitte Aargau, Grossrätin, Vizepräsidentin Fraktion, Mitglied Fraktionsvorstand | Die Mitte Aargau, Mitglied Parteivorstand | Die Mitte Aargau, Co-Präsidentin | Die Mitte Bezirk Bremgarten

Heute, drei Tage nach der Grossratssitzung erinnere ich mich an den Tag zurück und stelle fest: «Ja, die überfällige Anpassung des Anwaltstarifs ist ein Highlight. Aber noch viel bereichernder ist die Bestätigung, dass mit Verstand, Sachlichkeit und politischer Vernetzung über die Parteigrenzen hinaus etwas erreicht und verändert werden kann.»

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