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Erweiterung der Möglichkeiten für bilingualen Unterricht an der Volksschule

12. September 2023

Text:

Der Regierungsrat wird beauftragt, die konzeptionellen Grundlagen für eine Anpassung der Regelungen zur Unterrichtssprache (§ 12a) im Schulgesetz des Kantons Aargau (SAR 401.100) zu schaffen, damit bilingualer Unterricht auf Volksschulstufe auch in Sachfächern angeboten werden kann.

Begründung:

„Fremdsprachenkenntnisse öffnen Türen, erhöhen Karrierechancen und tragen zu einem besseren Verdienst bei. Bilingualer Unterricht trägt diesen Ansprüchen Rechnung. Er ist stundenplanneutral, trägt zur Verbesserung der Fremdsprachenkompetenz bei und wirkt sich positiv auf Motivation und Flexibilität der Lernenden aus.“ Diese Aussagen auf der Webseite der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) basieren auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Auch im Nationalen Inventar des zweisprachigen Unterrichts von 2022 ist nachzulesen: „Bilingualer Unterricht, bei dem ein Teil des Sachfachunterrichts vollständig oder teilweise in einer anderen Sprache abgehalten wird, zählt zu den vielversprechendsten Unterrichtsformen, die es derzeit im Fremdsprachenunterricht – und allgemeiner gesagt im Bereich des schulischen Sprachenlernens – gibt. […] Die Verzahnung von Sprach- und Sachwissenserwerb, wie sie im immersiven/zweisprachigen Unterricht stattfindet, bietet ausserdem die Möglichkeit, Sprache mit greifbaren Inhalten und interkultureller
Bildung zu verknüpfen.“

Schliesslich wird im Aargauer Lehrplan unter „Sprachen und Gesellschaft“ festgehalten: „Der Bedarf nach kompetent Englisch Sprechenden wächst. Englisch hat einen bedeutenden Stellenwert in der internationalen Politik, im internationalen Handel und in den digitalen Medien.“

Neue Technologien verändern Gesellschaft und Arbeitswelt in zunehmendem Tempo. New Work, also die modernen und flexiblen Formen der Arbeit und ihrer Organisation, stellt die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen noch viel stärker in den Mittelpunkt als bisher. Bildung muss daher Menschen gemäss ihren individuellen Möglichkeiten und unter Nutzung verfügbarer digitaler Tools in zunehmend flexibleren, bedarfsorientierten Settings befähigen, sich die Kompetenzen der Zukunft so selbstständig wie möglich zu erschliessen. Innerhalb dieser Kompetenzen stellt die Sprachkompetenz eine Schlüsselkompetenz dar.

Vor diesem Hintergrund ist es eine grosse Chance, mit integrierten bilingualen Angeboten den wachsenden Bedürfnissen nach Sprachkompetenz auf dem Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Unternehmen bevorzugen u. a. vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels heute bereits Standorte, an denen sie Fachkräfte mit hoher Englischkompetenz rekrutieren können. Sowohl für Expats
als auch für international ausgerichtete Schweizer ist die Möglichkeit, umfassende Englischkenntnisse schon in der Volksschule zu erwerben, ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil.

Es ist nicht mehr zeitgemäss, dass im Kanton Aargau unter den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen keine bilingualen Angebote innerhalb der öffentlichen Schule geführt werden können und dies aktuell ausschliesslich ausserhalb des lehrplanmässigen Unterrichts oder im Rahmen einer Privatschule möglich ist. Eine bilinguale Volksschule hat gegenüber einer Privatschule mit Englischunterricht den Vorteil, dass die gesellschaftliche Integration von international ausgerichteten Personen in die Struktur der Schweizer Gesellschaft stärker ist und die Verweildauer potenziell gesteigert wird.

Gemäss Auskunft des zuständigen Departements Bildung, Kultur und Sport läuft momentan eine Evaluation der Umsetzung des neuen Aargauer Lehrplans. Dabei sollen auch die Sprachen evaluiert und voraussichtlich die Form der Vermittlung beleuchtet werden. Zudem wird an der Umsetzung der überwiesenen Motion „Sprach- und Kulturaustausch“ (20.54) gearbeitet. Der Regierungsrat hat ab 2025 die Wiederaufnahme der Arbeiten im Hinblick auf eine mögliche Oberstufenreform in Aussicht gestellt. In diesem Zusammenhang sollen Fragen rund um die Fremdsprachen und den Spracherwerb auf der Oberstufe aufgegriffen und diskutiert werden. In einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt rasant verändert, passiert eine solche Reform viel zu langsam. Rasche, flexible und bedarfsorientierte Anpassungen in der Volksschule rücken damit in weite Ferne. Die Schule droht den Anschluss an die Arbeitswelt zu verlieren.

2022 hat der Planungsverband Baden Regio im Rahmen seiner Regionalen Entwicklungsstrategie beim Bildungsnetzwerk Aargau Ost eine vertiefte Abklärung und Einschätzung zur Einführung einer bilingualen Volksschule Deutsch/Englisch in Auftrag gegeben. Der Zwischenbericht vom 19. April 2023 hält fest:

1. Englisch ist Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und wird zur Kulturtechnik.

2. Eine moderne Volksschule nimmt die Anforderungen der heutigen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen auf und schöpft ihr vorhandenes Potenzial besser aus.

3. Aus der Sicht der nachfolgenden Stufen (Sek II, Tertiär) ist ein solches Angebot sehr wünschenswert, zumal anderssprachiger Unterricht in Sachfächern hier bereits Realität ist.

4. Das Bedürfnis ist von verschiedensten Seiten (Politik, Wirtschaft, Institutionen der Frühförderung, Schulen) nachgewiesen.

5. Das Angebot sollte explizit allen Interessierten offenstehen und nicht nur Kindern von Expats.

6. Menschen, die hier arbeiten, sollen auch hier wohnen, sich am öffentlichen Leben beteiligen und hier Steuern bezahlen. Ein attraktives Bildungsangebot ist dafür unabdingbar.

7. Sowohl die Sprach- als auch die Erziehungswissenschaft erkennen in zahlreichen Studien und Metastudien auf nationaler und internationaler Ebene vor allem positive Effekte von bilingualem Unterricht bei passenden Rahmenbedingungen.

8. Bilingualer Unterricht fördert fremdsprachliche, soziale, interkulturelle und fachliche Kompetenzen.

9. Im deutschsprachigen Raum existieren vor allem in Deutschland, aber vereinzelt auch in der Schweiz, etablierte und vielversprechende Modelle zur praktischen Umsetzung.

10.Zum zweisprachigen Unterricht auf der Volksschulstufe gibt es zahlreiche Publikationen. Nachgewiesenermassen ist eine bilinguale Entwicklung in Schulen besser initiierbar, wenn sie früh beginnt und auf einen langfristigen Prozess mit Fortführung über alle Zyklen abzielt.

11.Es gibt im Ostaargau Lehrpersonen mit Interesse und Bereitschaft, ein Modellangebot zu entwickeln.

12.Pädagogische Hochschulen sind in der Lage, Lehrpersonen auszubilden, die bilingual unterrichten wollen. An den Pädagogischen Hochschulen NWCH bzw. LU gibt es Kursangebote.

Die konzeptionelle Aufarbeitung entsprechender Grundlagen kann am besten im Verbund von Kanton und Pilotregionen erfolgen, wo baldmöglichst erste, niederschwellige Versuche lanciert und evaluiert werden sollten. Auf Basis dieser Ergebnisse kann in der Folge eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen vorgeschlagen werden. Ein entsprechendes Vorgehen hat sich bereits beim höchst erfolgreichen Projekt Chagall bewährt.

Der Regierungsrat wird eingeladen, die Initiierung eines Projekts „Einführung Bilingualer Unterricht D/E auf der Sekundarstufe I der Volksschule“ voranzutreiben mit dem Ziel, einen offiziellen Schulversuch in mindestens zwei Regionen des Kantons Aargau (z.B. Aargau Ost, Fricktal, Aarau) zu starten ab Schuljahr 2027/2028.

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