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Einreichung einer Standesinitiative zwecks Änderung des eidgenössischen Bürgerrechtsgesetzes

26. März 2024

VORSTOSS

Antrag auf Direktbeschluss von Harry Lütolf, Die Mitte, Wohlen, vom 26. März 2024 betreffend Einreichung einer Standesinitiative zwecks Änderung des eidgenössischen Bürgerrechtsgesetzes zur Wahrung des Willens des Gesetzgebers

 

Text

I.

Zuhanden der Eidgenössischen Räte sei eine Standesinitiative (gemäss Art. 160 Abs. 1 der Bundesverfassung, BV) einzureichen, die folgendes verlangt:

Das Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG, SR 141.0) sei so anzupassen, dass von einer erfolgreichen Integration im Sinne einer Teilnahme am Wirtschaftsleben (Art. 11 Bst. a und Art. 12 Abs. 1 Bst. d BüG) nur dann auszugehen ist, wenn unter anderem der einzureichende Betreibungsregisterauszug für die letzten drei Jahre vor Einreichung eines Einbürgerungsgesuchs und während des Einbürgerungsverfahrens keine Betreibungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Sozialversicherungseinrichtungen oder Krankenkassen aufweist.

II.

Der Grosse Rat möge gestützt auf § 43 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG, SAR 152.200) in Verbindung mit § 76 der Geschäftsordnung (GO, SAR 152.210) den vorliegenden Antrag auf Direktbeschluss erheblich erklären und darüber befinden, ob das Büro oder eine Kommission mit einer Vorberatung beauftragt werden soll.

 

Begründung

Mit Urteil vom 26. Februar 2024 (Urteilsnummer WBE.2023.286) hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau den Entscheid der Einbürgerungskommission des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 20. Juni 2023 bzw. vom 15. Mai 2023 (Einbürgerungsgesuch EEPO-8424-8967) aufgehoben.

Im Wesentlichen begründet das Verwaltungsgericht seinen Entscheid damit, dass § 9 Abs. 5 des aargauischen Gesetzes vom 12. März 2013 über das Kantons- und das Gemeindebürgerrecht (KBüG, SAR 121.200) den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nach § 2 der aargauischen Kantonsverfassung (KV) und Art. 5 Abs. 2 BV offensichtlich verletze und daher verfassungswidrig sei (Erwägung 6.3 des Urteils).

Der Titel von § 9 KBüG und § 9 Abs. 5 KBüG haben folgenden Wortlaut:

«§ 9   Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben oder zum Erwerb von Bildung

5 Für die letzten drei Jahre vor Einreichung des Gesuchs und während des Verfahrens darf der Betreibungsregisterauszug keine Betreibungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Sozialversicherungseinrichtungen oder Krankenkassen aufweisen.»

Das Verwaltungsgericht führt in seinem Entscheid zutreffend aus, dass die Auslegung von § 9 Abs. 5 KBüG keinen anderen Schluss zulasse, als dass Betreibungsregistereinträge (im Sinne von § 9 Abs. 5 KBüG) einen absoluten Ausschlussgrund für die Einbürgerung darstellen. § 9 Abs. 5 KBüG ist also als kantonale Mindestvoraussetzung beziehungsweise als sogenanntes «Killerkriterium» für die Einbürgerung zu verstehen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, sind auch der Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben nach § 9 KBüG und damit die erfolgreiche Integration nach § 5 KBüG als Ganzes zu verneinen und die Einbürgerung muss zwingend verweigert werden (Erwägung 5.3 des Urteils). In seinem Entscheid fasst das Verwaltungsgericht die Entstehungsgeschichte von § 9 Abs. 5 KBüG ebenfalls zutreffend zusammen (es kann hier darauf verwiesen werden: Erwägung 5.2.3 und 5.2.4 des Urteils); der Grosser Rat des Kantons Aargau hat mit voller Absicht diese Gesetzesbestimmung als absoluten Ausschlussgrund für eine Einbürgerung ausgestaltet.

Das Verwaltungsgericht setzt mit seinem Urteil § 9 Abs. 5 KBüG faktisch ausser Kraft und missachtet damit den klaren Willen des Gesetzgebers. Dies mit einem simplen Verweis auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dem Allzweckargument gegen alle unliebsamen Entscheide der Verwaltung und Behörden. Hierbei scheint das Verwaltungsgericht zu verkennen, dass § 9 Abs. 5 KBüG mit seiner kurzen Frist von nur gerade drei Jahren bereits den Grundsatz der Verhältnismässigkeit in sich wahrt. Eine Prüfung der Verhältnismässigkeit durch die Gerichte wollte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung bewusst ausschliessen. Es kann nämlich jedem/jeder Einbürgerungskandidat/-in zugemutet werden, während der kurzen Zeitspanne von drei Jahren nicht in ein betreibungsrechtliches Verfahren verwickelt zu werden. Wer mit einer Einbürgerung am politischen Leben partizipieren möchte, soll während drei Jahren unter Beweis stellen, dass er/sie den Bürgerpflichten nachkommt. Die erste Bürgerpflicht ist es, die Steuern pünktlich zu bezahlen (notfalls auch aufgrund einer Zahlungsvereinbarung mit der Steuer- bzw. der Finanzbehörde) und den weiteren Verpflichtungen in § 9 Abs. 5 KBüG nachzukommen. Zur Vermeidung einer Betreibung kann in jedem Fall das Gespräch mit den Behörden und der Krankenkasse gesucht werden. Kann eine Betreibung trotzdem nicht verhindert werden, steht es jedem/jeder Einbürgerungskandidaten/-in offen, nach einer relativ kurzen (Sperr-)Frist von drei Jahren ein Einbürgerungsgesuch zu stellen.

Aufgrund des Entscheids des Verwaltungsgerichts wird es nun aber künftig jedem/jeder Einbürgerungskandidaten/-in mit jeder halbwegs abenteuerlichen bis rührseligen Geschichte gelingen, den gesamten § 9 KBüG mit Verweis auf das Verhältnismässigkeitsprinzip auszuhebeln. Ähnliche Tendenzen zeigen sich auch schon bei § 8 KBüG (Beachten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung).

Um dieser Beliebigkeit und der latent vorhandenen Gefahr der Kostenpflicht des Gemeinwesens zu begegnen (Gerichtskosten und Anwaltskosten der Gegenpartei), muss durch den Bundesgesetzgeber ein Machtwort gesprochen werden. Mit einer § 9 Abs. 5 KBüG entsprechenden Anpassung des eidgenössischen Bürgerrechtsgesetzes wird dem einleuchtenden Gedanke, dass jeder/jede Einbürgerungskandidat/-in vor einer Einbürgerung seinen/ihrer Bürgerpflichten nachkommen und dies während einer kurzen Frist (von drei Jahren) auch unter Beweis stellen soll, zuverlässig zum Durchbruch verholfen. Zuverlässig deshalb, weil Bundesgesetze für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind (Art. 190 BV). Es soll in diesem Punkt künftig nichts mehr relativiert werden. Ohne Wenn und Aber sollen diesbezüglich schweizweit dieselben Regeln gelten.

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