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Einführung eines Punktesystems im Hinblick auf eine einheitlichere, willkürfreiere Praxis bei Widerrufen von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen

11. November 2020

Postulat der CVP-Fraktion (Sprecher Harry Lütolf, Wohlen) vom 10. November 2020 betreffend Einführung eines Punktesystems im Hinblick auf eine einheitlichere, willkürfreiere Praxis bei Widerrufen von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen

Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, im Zuständigkeitsbereich des kantonalen Amtes für Migration und Integration (MIKA) die Einführung eines Punktesystems zu prüfen. Hierbei soll diesem System die Idee zugrunde liegen, wonach für vordefinierte Verfehlungen von Ausländern und Ausländerinnen eine bestimmte Anzahl „Punkte“ erfasst und nach Erreichen eines bestimmten Punktestands ein Verfahren zwecks Widerruf der Aufenthalts- bzw. der Niederlassungsbewilligung eingeleitet werden muss oder die Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werden darf.

Begründung:
Aufenthaltsbewilligungen im Sinne von Art. 33 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) und Niederlassungsbewilligungen (Art. 34 AIG) können unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden (Art. 62 und 63 AIG). Aufenthaltsbewilligungen werden befristet erteilt, wobei solche Bewilligungen nicht verlängert werden sollen, wenn Widerrufsgründe vorliegen (Art. 33 Abs. 3 AIG).

Die Gründe für einen Widerruf solcher Bewilligungen sind im Gesetz teilweise nicht klar umschrieben. Das gilt insbesondere für den „Tatbestand“ von Art. 62 Abs. 1 Bst. c und Art. 63 Abs. 1 Bst. b AIG, wonach der Widerruf verfügt werden kann, wenn der Ausländer bzw. die Ausländerin erheblich oder wiederholt bzw. in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet. Jedenfalls ist hier eine strafrechtliche Verurteilung nicht Voraussetzung für einen Widerruf. Zudem lassen auch die Ausführungsbestimmungen Spielraum (Art. 77a und 77b der Ver-ordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, VZAE, SR 142.201). Darüber hinaus ist nicht sichergestellt (insbesondere wenn kein Strafverfahren eröffnet wurde), dass „Wiederholungstäter“ überhaupt erkannt werden, weil weder die Anzahl noch die Art der Regelverstösse im Sinne von Art. 62 Abs. 1 Bst. c und Art. 63 Abs. 1 Bst. b AIG systematisch erfasst werden.

Es kommen Fälle von straffälligen Ausländern und Ausländerinnen hinzu, bei denen eine Landesverweisung (Art. 66a ff. des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, StGB, SR 311.0) vor Gericht kein Thema war oder in einem Strafbefehlsverfahren vor der Staatsanwaltschaft nicht ausgesprochen werden durfte (Art. 352 der Strafprozessordnung, StPO, SR 312.0). Hier wäre es der zuständigen Migrationsbehörde nicht verwehrt, das Delikt migrationsrechtlich zu würdigen (Art. 62 Abs. 2 und Art. 63 Abs. 3 AIG schliessen dies nicht aus) und einen Widerruf der Bewilligung auszusprechen.

Wie gesehen, belassen die gesetzlichen Grundlagen der zuständigen Migrationsbehörde ein grösseres Ermessen, ob eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung im Einzelfall widerrufen oder eine Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werden soll. Zudem lassen sich auch aus der Rechtsprechung nicht immer Schlüsse für die nötigen Schritte ziehen. Wesentlich ist auch der Umstand, dass es im Einzelfall vom jeweiligen Sachbearbeiter beim zuständigen Migrationsamt abhängen kann, ob ein Verfahren zwecks Widerruf der Aufenthalts- bzw. der Niederlassungsbewilligung eingeleitet und zielführend zu Ende gebracht werden kann. Die Erfahrung lehrt, dass es je nach Geschäftslast, Fähigkeiten, Motivation und auch persönlicher Einstellung hier entscheidende Unterschiede geben kann. All diese Faktoren führen zu einer gewissen Uneinheitlichkeit, im schlechtesten Fall gar zu einer Willkür in der Frage der Notwendigkeit eines Widerrufs einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung bzw. Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung.

Hier soll nun das von der Postulantin vorgeschlagene Punktesystem Abhilfe leisten. Für bestimmte vordefinierte Verfehlungen von Ausländern und Ausländerinnen sollen in einer Datenbank des MIKA eine bestimmte Anzahl „Punkte“ erfasst werden. Sobald ein im Voraus bestimmter Punktestand erreicht ist, soll zwingend ein Verfahren zwecks Widerruf der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung eingeleitet werden bzw. soll zwingend eine Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werden. Die Praxis wird dadurch einheitlicher und willkürfreier und entlastet die Mitarbeiter/-innen der Migrations-behörde bei der Entscheidfindung, ob ein solches Verfahren eingeleitet werden soll. Zur Klarstellung sei noch erwähnt, dass mit einem solchem Punktesystem der „vorzeitige“ Widerruf einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung bzw. die Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung nicht ausgeschlossen werden soll; in klaren Fällen (insbesondere bei einer Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe oder bei Falschangaben im Bewilligungsverfahren) soll ein Widerruf oder eine Nichtverlängerung einer Bewilligung auch vor Erreichen des genannten Punktestands weiterhin möglich sein.

Für die Betroffenen bleibt in jedem Fall das Recht gewahrt, gegen solche Entscheide des MIKA ein Rechtsmittel zu ergreifen. Letztlich werden dann im Einzelfall die zuständigen Gerichte beurteilen müssen, ob ein solcher Widerruf der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung bzw. die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtens ist.

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