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Drama mit unbeeindrucktem Publikum

19. Dezember 2016

Damit es wieder einmal gesagt ist nach dem Anschlag auf eine Kirche in Kairo: die meisten Menschen, die heutzutage wegen ihres Glaubens verfolgt werden, sind Christen. Natürlich gibt es zahlreiche andere Gründe gibt, die zur Flucht zwingen, doch ob protestantisch, katholisch oder orthodox, weltweit werden gemäss dem Hilfswerk Open Doors hundert Millionen Menschen aus ihren Heimatländern vertrieben, weil sie Christen sind.

Auf dem Verfolgungsindex 2015 zuoberst steht Nordkorea, begleitet vom Irak, Eritrea, Afghanistan, Syrien, Pakistan, Somalia, Sudan, Iran und Libyen. Neun muslimisch geprägte Länder auf zehn Spitzenplätzen in Sachen Christenverfolgung. Diese ersten Ränge teilen sich wohl auch 2016 wiederum die gleichen Staaten. In Syrien spielt sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein Drama ab, im Irak ebenso. Tausende, Zehntausende, Hunderttausende Christen werden zur Flucht getrieben. Sie werden enteignet, bedroht, ermordet. Vom zahlenmässigen Ausmass her lässt sich anhand der syrischen Stadt Homs ein Blick in die Hölle tun: Von 160’000 Christen sind gerade noch 1000 da.

Die Dimension der Tragödie steht jedoch im fatal umgekehrten Verhältnis zur Betroffenheit und Anteilnahme, die sie im Westen auslöst. Als Mehrheit sind wir Christen darin erzogen, gegenüber Minderheiten im moralischen Rückstand zu sein. Dass auch unsereins verfolgt sein könnte, fällt aus dem Denkmuster der politisch korrekt eingeübten Toleranz, die darin besteht, das andere mehr zu achten als das eigene. Die CVP schlug kürzlich vor, für die 3000 Kontingenzflüchtlinge, welche Bundesrätin Sommaruga direkt aus dem Nahen Osten in die Schweiz fliegen wollte, die momentan gerade gefährdetsten auszuwählen: Kinder, Frauen, Christen. Die Empörung folgte auf den Fuss.

Im Verein mit muslimischen Verbänden und Schweizer Hilfswerken monierten auch einige Vertreter von Landeskirchen, man dürfe Flüchtlinge nicht aufgrund einer Religion besonders behandeln. Es zähle der Schutzbedarf. Dass diese Flüchtlinge ja gerade aufgrund einer Religion besonders schutzbedürftig sind, ist an Zynismus schwer zu überbieten und ist auch rechtsstaatlich bedenklich. Schliesslich wird im Asylgesetz die Verfolgung aus religiösen Gründen explizit erwähnt. Die inkonsequente Haltung gegenüber eigenen Religionsangehörigen stiess auch einem Kirchenpfleger auf, als er im Gremium mit seinem Vorschlag abblitzte, Hilfsgelder einer Spendenaktion für einmal christlichen Flüchtlingen zukommen zu lassen. Er erntete dabei soviel Unverständnis, wie er mir erzählte, als hätte er Kreuzritter ausrüsten wollen…

Dabei werden im christlichen und aufgeklärtem Mitfühlen Angehörige anderer Religionen weder abgewiesen noch benachteiligt. Im Gegenteil. Die grosse Mehrheit unter den Flüchtlingen sind Muslime. Eine auf Mitte Dezember dieses Jahres datierte Liste des Staatssekretariates für Migration erfasst siebenmal mehr Muslime als Christen. In der deutschen Statistik aus dem Jahre 2015 stehen 73 Prozent muslimischen Asylsuchenden 13 Prozent Christen gegenüber. Man kann die Befangenheit bezüglich einer möglichen Christenbevorzugung also getrost ablegen. Und auch die „Befürchtungen“ abstreifen, dass sich durch die momentane Flüchtlingswelle der Anteil an Christen in der Bevölkerung vergrössern würde. Vor allem auch deshalb, weil wohl jedem einreisenden gläubigen Christen genügend aus unseren Landeskirchen austretende Platz in den Kirchenbänken machen.

Sich die Kirchensteuern zu sparen ist jedem unbenommen im säkularen Staat, Religion ist Privatsache. Doch die grundsätzlich skeptische Haltung gegenüber der eigenen Religion bietet denn wohl auch einen Teil der Erklärung, weshalb Flüchtlinge sich hierzulande als alles bezeichnen sollten, nur bitte sehr nicht als Christen. Glauben ist suspekt, ausser natürlich, es handelte sich um einen anderen Glauben. Da wird die Sensibilität für religiöse Gefühle von gewissen Kreisen so auf die Spitze geführt, dass laut darüber nachgedacht wird, die Krippenspiele abzuschaffen, das Kreuz aus der Schweizer Flagge zu entfernen oder verschiedene fundamentalistische Bewegungen und rückwärtsgewandte religiöse Strömungen unbesehen von deren rechtsstaats- und frauenfeindlichen Lehren in eine Landeskirche einzubinden.

Für Christen auf der Flucht ist verständlicherweise schwer nachvollziehbar, weshalb ihr Schicksal ausgerechnet bei jenen kaum Beachtung findet, von denen sie natürlicherweise am meisten Beachtung erwarten. In Zeiten, in denen so viele Flüchtlinge aus welchen Gründen bei uns ankommen und um Aufnahme ersuchen, sollte meines Erachtens auch im Westen die Sensibilität für christliche Flüchtlinge in den Köpfen ankommen und die Solidarität mit ihnen Advent feiern. Nicht obwohl sie Christen sind, sondern weil sie es sind.

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