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Beseitigung des Anwaltsmonopols in allen kantonalen Verwaltungsverfahren

23. November 2021

Text:
Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG, SAR 271.200) zu unterbreiten, welcher die Beseitigung des Anwaltsmonopols in allen kantonalen Verwaltungsverfahren zum Gegenstand haben soll.

Begründung:
Das Verwaltungsverfahren unterscheidet sich grundlegend vom Zivilverfahren (und auch vom Strafverfahren). Im Verwaltungsverfahren muss die angerufene Behörde den Sachverhalt auch zugunsten der Gesuchsteller oder Parteien von Amtes wegen abklären und kann Beweise erheben, auch wenn diese von keiner Partei beantragt wurden (man spricht von der sog. Untersuchungsmaxime). Zudem ist die angerufene Behörde im Verwaltungsverfahren nicht an die Rechtsbegehren der Gesuchsteller oder Parteien gebunden; sie kann von den gestellten Begehren auch zugunsten der Gesuchsteller oder Parteien abweichen (man spricht von der sog. Offizialmaxime). Dagegen darf ein Gericht in einem Zivilverfahren grundsätzlich nicht von Amtes wegen Beweise erheben und es darf unter ande-rem auch nicht über die gestellten Anträge hinausgehen (hier gelten die sog. Verhandlungs- und Dispositionsmaxime). Im Verwaltungsverfahren kommt der Grundsatz hinzu, dass der Bürger und die Bürgerin seine/ihre Rechte und Pflichten gegenüber dem Staat möglichst einfach soll wahrnehmen können.
Aus diesen Gründen erklärt sich, dass in einem Verwaltungsverfahren keine Pflicht bestehen sollte, sich nur durch eine Anwältin oder einen Anwalt vertreten zu lassen. Vielmehr sollte in jedem Verwaltungsverfahren eine von den Gesuchstellenden gewünschte Vertretung frei bestimmt werden können, zumal der Beizug einer Anwältin oder eines Anwaltes kostspielig ist (es ist mit Stundenansätzen ab 200 Franken oder deutlich mehr zu rechnen) und eine anwaltschaftliche Vertretung aufgrund der erwähnten Untersuchungs- und Offizialmaxime als nicht zwingend notwendig erscheint.

Unnötigerweise gilt im Kanton Aargau nun aber (auch) in einem Verwaltungsverfahren vor den Verwaltungsjustizbehörden ein Anwaltsmonopol. Mit ein paar Ausnahmen kann sich der Bürger und die Bürgerin nur durch eine Anwältin oder einen Anwalt verbeiständen oder vertreten lassen (§ 14 Ab-satz 3 VRPG). In solchen Verfahren ist es im Kanton Aargau nicht einmal erlaubt, gegen eine kleine Entschädigung für eine Partei eine Rechtsschrift zu verfassen (§ 2 Absatz 3 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, EG BGFA, SAR 290.100).

Im Gegensatz dazu gilt (zum Beispiel) in unseren Nachbarkantonen Basel-Landschaft (§ 12 des basellandschaftlichen Verwaltungsverfahrensgesetzes, SGS 175), Solothurn (§ 13 des solothurnischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes, BGS 124.11), Zug (§ 3 des zugerischen Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, BGS 163.1) und Zürich (§ 11 des zürcherischen Anwaltsgesetzes, LS 215.1) auf jeder Stufe eines Verwaltungsverfahrens bis hinauf zu den kantonalen Verwaltungsgerichten kein Anwaltsmonopol.

Auch vor dem Bundesgericht und vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kein Anwaltsmonopol (Art. 40 BGG [SR 173.110] sowie Art. 11 VwVG [SR 172.021] in Verbindung mit Art. 37 VGG [SR 173.32]). Im Instanzenzug zeigt sich im Kanton Aargau demnach folgendes, geradezu groteskes Bild: Die Bürgerin und der Bürger kann sich vor einer Verwaltungsbehörde durch einen Verwandten, Bekannten oder eine freigewählte Drittperson verbeiständen oder vertreten lassen. Vor den Verwaltungsjustizbehörden, insbesondere vor dem aargauischen Verwal-tungsgericht, kann sich diese Bürgerin und dieser Bürger aber nur durch eine Anwältin oder einen Anwalt verbeiständen oder vertreten lassen. Bei einem möglichen Weiterzug an das Bundesverwal-tungsgericht oder gar ans höchste Gericht des Landes (das Bundesgericht) kann sich diese Bürgerin und dieser Bürger dann wieder durch einen Verwandten, Bekannten oder eine freigewählte Drittper-son verbeiständen oder vertreten lassen.

Auch wenn das aargauische Anwaltsmonopol vor den Verwaltungsjustizbehörden schon länger gilt (es wurde mit dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968 erstmals eingeführt und wurde seither in verschiedenen Revisionen aufgeweicht), sollte es aus den dargelegten Gründen abgeschafft werden. Tendenziell darf die Bürgerin bzw. der Bürger und auch der Staat (einschliesslich betroffene Gemeinden) bei einer Abschaffung des Anwaltsmonopols bei solchen Verfahren und dem damit einhergehenden vergrösserten Wettbewerb mit Kosteneinsparungen rechnen. Erstere wegen grösserer Auswahl und tieferen Honoraren, Letzterer (im Falle seines Unterliegens vor einer Verwaltungsjustizbehörde) wegen tieferen Entschädigungszahlungen an die obsiegende Gegenpartei (§ 32 Absatz 2 VRPG).
Im Übrigen darf der Schutz des Rechtsuchenden – mit Blick auf die Rechtslage in unseren Nachbar-kantonen und mit Blick auf die Bundesjustizbehörden – nicht als Argument für die Beibehaltung des Status quo herangezogen werden. Ohnehin dürfte die angerufene Verwaltungsjustizbehörde bei offensichtlicher Unfähigkeit des Beistandes oder Vertreters im Rahmen einer beantragten unentgeltlichen Rechtsvertretung einen anderen Rechtsbeistand bestimmen (§ 34 Absatz 2 VRPG).

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