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Anstossfinanzierung durch den Kanton zwecks Eröffnung einer Kinderarztpraxis in Wohlen und in anderen aargauischen Regionen in Fällen einer ausgewiesenen Unterversorgung

3. März 2020

Motion Harry Lütolf, CVP, Wohlen (Sprecher), Cécile Kohler, CVP, Lenzburg, und Sabine Sutter-Suter, CVP, Lenzburg, vom 3. März 2020 betreffend Anstossfinanzierung durch den Kanton zwecks Eröffnung einer Kinderarztpraxis in Wohlen und in anderen aargauischen Regionen in Fällen einer ausgewiesenen Unterversorgung

Text:
Der Regierungsrat wird beauftragt, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Anstossfinanzierung durch den Kanton zwecks Eröffnung einer Kinderarztpraxis in Wohlen und in anderen aargauischen Regionen in Fällen einer ausgewiesenen Unterversorgung zu ermöglichen.
Begründung:

I. Die Problematik
Wohlen, die viertgrösste Gemeinde des Kantons, ist eine Kernstadt bzw. ein kantonales Hauptzent-rum (vgl. den Richtplan des Kantons Aargau, R 1.5). In Wohlen wohnen 2’510 Kinder im Alter zwi-schen 0 und 14 Jahren. In den angrenzenden Gemeinden Bremgarten, Büttikon, Dottikon, Fischbach-Göslikon, Hägglingen, Niederwil, Villmergen und Waltenschwil wohnen zusammen 4’692 Kin-der in der gleichen Altersgruppe (Statistik Aargau, Stand: 30. Juni 2019).
Schon bald verliert Wohlen seine einzige Kinderarztpraxis. Die nächstgelegenen Kinderarztpraxen werden sich dann in Berikon, Meisterschwanden und Muri befinden. Von Wohlen aus sind diese Kin-derarztpraxen mit dem Auto je nach Verkehrsaufkommen in 10 bis 30 Minuten und mit der Bahn bzw. mit dem Bus in etwa 20 bis 60 Minuten zu erreichen (Fussmarsch eingeschlossen).
Tausende Kinder mit ihren Eltern und Verwandten werden von Wohlen und den angrenzenden Ge-meinden in Kürze einen längeren Weg auf sich nehmen müssen, um zu einer/einem Kinderärztin/Kinderarzt gelangen zu können. Zudem ist davon auszugehen, dass die nächstgelegenen Kinderarztpraxen den Bedarf von Wohlen und den angrenzenden Gemeinden nicht einfach abdecken können. Vielmehr ist dort mit längeren Wartezeiten oder gar mit Abweisungen zu rechnen.
Diese offenkundige Unterversorgung bei einem medizinischen Bedarf in Wohlen und Umgebung kann nicht hingenommen werden. Was in Wohlen gilt, kann auch für andere Regionen des Kantons gelten.

II. Der Lösungsansatz
Dem Kanton obliegt gemäss § 41 seiner Verfassung die Aufgabe, Voraussetzungen für eine angemessene medizinische Versorgung der Bevölkerung zu schaffen. In der vom Grossen Rat letztmals genehmigten Gesundheitspolitischen Gesamtplanung 2010 (GGpl, GR.10.258) wird weiter ausgeführt, dass der Kanton geeignete Massnahmen zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden ambulanten ärztlichen Grundversorgung unterstützt (GGpl, Strategie 11, Seite 85). Die Kinderärzteschaft bildet einen Bestandteil des ambulanten medizinischen Angebots, so dass der Kanton letztlich eine wesentliche Mitverantwortung im Fall einer Unterversorgung trägt. Dies gilt umso mehr, als der Gang in die Notfallstationen der Kantonsspitäler Aarau und Baden (die einzigen Spitäler im Kanton mit einer Kinderklinik) in der Regel für die Allgemeinheit teurer ist als eine Behandlung bei einer/einem Kinderärztin/Kinderarzt.
Die zuvor beschriebene Unterversorgung hat verschiedene Gründe. Diese und entgegenwirkende Strategien sind in der zuvor erwähnten GGpl ansatzweise beschrieben. Hinweise finden sich auch in der Erklärung des Regierungsrats zum entgegengenommenen Postulat der SP-Fraktion vom 31. März 2009 betreffend Strategie gegen Ärztemangel und betreffend Förderung der Hausarztmedizin (GR.09.106), in der Antwort des Regierungsrats bezüglich der Interpellation René Huber, CVP, Leuggern (Sprecher), und Edith Saner, CVP, Birmenstorf, vom 27. Juni 2017 betreffend Engagement des Kantons zur Förderung der Hausarztmedizin, um dem Mangel an Hausärzten entgegenzuwirken (GR.17.165) sowie in der Antwort des Regierungsrats bezüglich der Interpellation Rahela Syed, SP, Zofingen (Sprecherin), und Martina Bircher, SVP, Aarburg, vom 3. September 2019 betreffend Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten sowie Kinderärztinnen und Kinderärzten (GR.19.259).
Unerwähnt lässt der Regierungsrat einen weiteren, nicht unwesentlichen Grund: Die Aufnahme einer Selbstständigkeit hat auch für Allgemeinpraktiker ihren Preis. Die Neueröffnung einer Kinderarztpraxis oder auch die Übernahme einer solchen kann rasch mehrere hunderttausend Franken veranschlagen. Banken helfen bei der Finanzierung zwar immer noch aus, doch müssen in letzter Zeit mehr eigene Mittel beigebracht werden. Die wenigsten Mediziner verfügen über grosse Ersparnisse, wenn sie sich mit gut 30 Jahren selbstständig machen wollen. Und nicht jeder kann auf Eltern oder sonstige Verwandte und Bekannte als Geldgeber zurückgreifen. Experten raten auch davon ab, sich Pensionskassengelder vorzeitig auszahlen zu lassen, um sie als Startkapital zu verwenden (vgl. hierzu den Beitrag in der NZZ vom 15. Oktober 2018, Seite 25, mit dem Titel: “ ‚Ärzte dürfen nicht ihre Seele verkaufen‘ – Der Gang in die Selbständigkeit ist auch für Mediziner eine teure und nervenaufreibende Angelegenheit“).
Hier setzt nun die Forderung der vorliegenden Motion an: mit einer Anstossfinanzierung durch den Kanton soll zusätzlich einer ausgewiesenen Unterversorgung in Wohlen und allenfalls auch in anderen aargauischen Regionen entgegengewirkt werden. Dadurch kann gerade bei Finanzierungsengpässen ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, um eine/einen ausgebildete/-n Kinderärztin/ Kinderarzt dazu zu bewegen, in Wohlen und anderswo eine Kinderarztpraxis zu eröffnen.
Der Motionär lässt offen, ob und wann die Gelder des Kantons zurückbezahlt werden müssen. Jedenfalls soll die Erfüllung des Verfassungsauftrags in § 41 Vorrang haben, weshalb in einem ausgewiesenen Bedarfsfall von einer Rückzahlung abgesehen werden soll.

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