Unsere Website ist nicht für deine Browserversion optimiert.

Seite trotzdem ansehen

Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmensnachfolgen

14. Mai 2025

Motion der Fraktionen der FDP (Sprecher Dr. Adrian Schoop, Baden), SVP, Mitte und GLP vom 13. Mai 2025 betreffend Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmensnachfolgen

Text:
Der Regierungsrat wird beauftragt, die steuerlichen Regeln so anzupassen, dass betriebsinterne Unternehmensnachfolgen (Firmenkauf durch Mitarbeiter) gegenüber Unternehmenskäufen durch Dritte nicht mehr benachteiligt werden. Die steuerlichen Regeln über Mitarbeiterbeteiligungen1 dürfen auf Unternehmensnachfolgen durch Mitarbeiter keine Anwendung mehr finden. Der zwischen dem Verkäufer und dem Mitarbeiter vereinbarte Preis für das veräusserte Unternehmen ist steuerlich anzuerkennen. Ausnahmen: Wenn eine (teilweise) Schenkung vorliegt oder der neue Eigentümer seine Beteiligung innert 5 Jahren verkauft; dann darf ein Gewinn aus dem Verkauf nachträglich besteuert werden. Die angepassten Regeln sind auch auf alle noch hängigen Fälle anzuwenden.

Begründung:
Im Kanton Aargau besteht, im Unterschied zu anderen Kantonen, keine gesetzliche Regelung zur steuerlichen Behandlung von Unternehmensnachfolgen. Die Steuerbehörden wenden auf betriebsinterne Nachfolgelösungen (durch Mitarbeiter) die gleichen steuerlichen Regeln an wie auf Mitarbeiterbeteiligungen und nicht wie auf externe Nachfolgelösungen. Dies führt zu massiven steuerlichen Ungleichbehandlungen und der Erschwerung oder gar Verunmöglichung von betriebsinternen Nachfolgen. Die Problematik betrifft insbesondere KMU, die massgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg im Aargau verantwortlich sind.

Konkret berechnet das Steueramt bei internen Unternehmensnachfolgen den Wert des Unternehmens mittels der sog. Praktikermethode2. Der sich ergebende fiktive Wert (Formelwert), der wichtige Faktoren3 und die Risiken einer Geschäftsübernahme ausser Acht lässt, liegt häufig viel höher als der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis und würde von einem Erwerber niemals bezahlt. Die Differenz zwischen dem Formelwert und dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis wird heute beim übernehmenden Mitarbeiter als Lohn besteuert, obwohl ihm kein Einkommen zufliesst. Bei einer Übernahme durch einen Dritten wird der gleiche Kaufpreis hingegen als Verkehrswert anerkannt und damit steuerlich akzeptiert.

Diese unfaire Praxis stellt eine krasse Ungleichbehandlung dar und verhindert betriebsinterne Nachfolgelösungen. Sie kann den Nachfolger gar in die Privatinsolvenz stürzen, wodurch er sein gesamtes Vermögen und mitunter auch das gekaufte Unternehmen verliert und die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Sowohl der Nachfolger als auch seine Mitarbeiter verlieren aufgrund der Aargauer Steuerpraxis ihre Lebensgrundlage. Gerade für KMU mit lokalem Bezug sind familien- oder betriebsinterne Nachfolgen aber ein zentraler Erfolgsfaktor und der Normalfall.4 Bereits ohne steuerliche Hindernisse ist die Unternehmensnachfolge eine der grössten Herausforderungen für Unternehmen, insbesondere für KMU.5

Sachlich ist es nicht gerechtfertigt, bei der steuerlichen Behandlung von Unternehmensnachfolgen zwischen internen und externen Erwerbern zu unterscheiden. Angelehnt an die Praxis anderer Kantone6 ist von einer Nachfolgelösung (und nicht von Mitarbeiteraktien) auszugehen, wenn (kumulativ):

  • der Verkauf der Beteiligung durch einen/ mehrere Aktionär/e erfolgt (nicht durch die Gesellschaft);
  • der Erwerber nach der Transaktion eine wesentliche Beteiligung (mind. 20 %) hält;
  • keine Sperrfristen oder Verpflichtung zur Rückgabe der Beteiligung an die Gesellschaft vorliegen;7
  • dem Erwerber zuvor als Mitarbeiter marktkonforme Löhne bezahlt wurden.

Liegt eine Unternehmensnachfolge vor, ist der von den Parteien vereinbarte Kaufpreis steuerlich anzuerkennen, und es dürfen sich für den Erwerber keine Steuerfolgen ergeben, ausser es liegt eine (teilweise) Schenkung8 vor. Im Falle einer Weiterveräusserung der erworbenen Beteiligung durch den Übernehmer innert fünf Jahren rechtfertigt es sich hingegen, den Gewinn, den dieser daraus erzielt, zu besteuern. Es bietet sich eine Lösung nach dem Beispiel des Kantons St. Gallen an.9

Die vorgeschlagene neue Regelung ist praxistauglich, rechtsklar und wirtschaftsfreundlich. Sie sorgt dafür, dass betriebsinterne Unternehmensnachfolgen nicht länger steuerlich behindert oder gar verunmöglicht werden und stärkt den stark von KMU geprägten Wirtschaftsstandort Aargau.

1 Mitarbeiterbeteiligungen sind Beteiligungen von Mitarbeitern an einem Unternehmen, die auf ein Arbeitsverhältnis zurückzuführen sind. Sie sind ein Instrument zur Entlöhnung von Mitarbeitern und werden häufig zu einem vom Arbeitgeber bestimmten Preis unter dem Marktpreis an Mitarbeiter abgegeben, um sie zu binden oder zu belohnen. Typischerweise ist der Umfang der Beteiligung pro Mitarbeiter gering (oft unter 1 %). Mitarbeiterbeteiligungen unterstehen häufig Sperrfristen und / oder Rückgabeverpflichtungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

2 Bei betriebsinternen Übernahmen bewertet das Steueramt das veräusserte Unternehmen nach der Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer (Kreisschreiben Nr. 28 vom 28.08.2008 der Schweizerischen Steuerkonferenz, abrufbar unter: https://www.ssk-csi.ch/fileadmin/dokumente/kreisschreiben/KS_28_d_2022.pdf), welche die Anwendung der sog. Praktikermethode vorsieht. Dabei wird der Unternehmenswert basierend auf dem Durchschnitt des doppelt gewichteten Ertragswerts (kapitalisierter Reingewinn) und dem einfach gewichteten Substanzwert (Eigenkapital inkl. stille Reserv en) ermittelt. Für die Herleitung des Ertragswertes ist die Anwendung eines Kapitalisierungssatzes (aktuell 8.75 %) vorgesehen, welcher der Höhe nach am untersten Rand der berufsständischen Empfehlungen liegt und entsprechend zu hohen Unternehmenswerten führt (je tiefer der Kapitalisierungszinssatz, umso höher der resultierende Unternehmenswert).

3 Wichtige Faktoren, die nicht berücksichtigt werden, sind z. B.: Ausserordentlich hoher Ertragswert in den ca. 1-3 Jahren unmittelbar vor der Veräusserung aufgrund Maximierung des Gewinns durch den bisherigen Inhaber (Auflösung stiller Reserven, Minimierung von Investitionen etc.); Abhängigkeit des Wertes des Unternehmens vom bisherigen Inhaber (Personenbezogenheit; Verlust von Kunden und wichtigen Mitarbeitern bei Ausscheiden des bisherigen Inh abers); Investitionsstau; beschränkte Mittel und Grenzen der Fremdfinanzierung beim Erwerber usw.

4 Gemäss Angaben des Bundes auf dem KMU-Portal (https://www.kmu.admin.ch/kmu/de/home/praktisches-wissen/zahlen-und-fakten%20/kmu-in-zahlen/nachfolgere-gelungen.html) werden rund 42 % der KMU innerhalb der Familie und 23 % an Mitarbeiter übergeben. Gerade jene Personen, die das Unternehmen seit Jahren mitgestalten und über dessen Strukturen, Abläufe und Herausforderungen bestens informiert sind, sind typischerweise besonders geeignet und bereit, die mit einer Nachfolgeregelung verbundenen Risiken sowie die langfristigen finanziellen Verpflichtungen zu übernehmen.

5 Viele Unternehmen finden keine Nachfolger mehr und geben ihren Betrieb auf. Das bedeutet den Verlust von Arbeitsplätzen, Ausbildungsplätzen, Fachwissen und lokaler Wertschöpfung. Der Wirtschaftsstandort Aargau wird dadurch geschwächt.

6 Z. B. Luzern (https://steuern.lu.ch/-/media/Steuern/Dokumente/SteuerBulletin/2020/SteuerPraxis202003MAB.pdf) oder St. Gallen (https://www.sg.ch/content/dam/sgch/steuern-finanzen/steuern/steuerbuch/art-29-52-stg/030_2.pdf).

7 Zulässig sein müssen hingegen übliche Aktionärsbindungsverträge o. ä. unter den Beteiligten, welche beispielsweise Vorkaufsrechte unter den Beteiligten zu einem bestimmten Wert vorsehen, ohne dass sie an die Arbeitstätigkeit gebunden sind.

8 Im Falle einer Schenkung können sich je nach Verhältnis zwischen Veräusserer und Erwerber Schenkungsfolgen ergeben. Es ist vom Regierungsrat zu prüfen, obanalog den Regelungen anderer Kantone (z. B. Zürich, Bern, Graubünden) im Fall von Unternehmensnachfolgen eine Reduktion oder Erlass der Schenkungssteuer einzuführen ist.

9 Siehe https://www.sg.ch/content/dam/sgch/steuern-finanzen/steuern/steuerbuch/art-29-52-stg/030_2.pdf.

 

 

Engagiere dich