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Bewilligungsentscheide, die als Enteignungstitel gelten – unter gleichzeitiger Festlegung der Entschädigungsfolgen

17. Dezember 2024

Interpellation Dr. Philipp Laube, Mitte, Lengnau (Sprecher), Ralf Bucher, Mitte, Mühlau, vom 17. Dezember 2024 betreffend Bewilligungsentscheide, die als Enteignungstitel gelten – unter gleichzeitiger Festlegung der Entschädigungsfolgen

Text und Begründung:
Strassenbauprojekte (wie z.B. Belagssanierungen) oder Projektauflagen (wie z.B. Umbauten von Bushaltestellen nach Behindertengleichstellungsgesetz BehiG), welche unter der Federführung der Abteilung Tiefbau des Departements Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons durchgeführt werden, sind regelmässig geeignet, Interessen privater Dritter zu tangieren. Gemäss § 95 Abs. 2 und 3 BauG müssen daher die Projektpläne, der Landerwerbsplan und die Landerwerbstabelle solcher Projekte jeweils während 30 Tagen öffentlich aufliegen.
Während der Auflagefrist haben in ihren Interessen besonders Betroffene, die Möglichkeit, beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt Einwendungen gegen das betreffende Projekt einzureichen. Die Einwendungen haben dabei einen Antrag und eine Begründung zu enthalten. Eine Parteientschädigung wird im Einwendungsverfahren sodann keine ausgerichtet. Allfällige Verkehrsanordnungen werden zudem separat nach Strassenverkehrsrecht verfügt.

Mit dem Bewilligungsentscheid wird alsdann auch über die Einwendungen entschieden. Der Entscheid über das Bauprojekt (§ 95 BauG) gilt dabei als Enteignungstitel. Dieser berechtigt zur Enteignung für Massnahmen, die darin mit genügender Bestimmtheit festgelegt sind. Rechte, die in der Landerwerbstabelle nicht aufgeführt sind und durch das Bauprojekt betroffen werden, sind zudem ebenfalls innert der Auflagefrist schriftlich anzumelden.

Über den Erwerb der in der Landerwerbstabelle aufgeführten Rechte wird jedoch erst in einem späteren Verfahren entschieden (§ 151 BauG). Anträge, die aber bereits während der Auflage mit Einwendungen gegen das Bauprojekt hätten gestellt werden können, sind dann unzulässig (§ 152 BauG).

Grundeigentümer, deren Grundeigentum durch ein Strassenbauprojekt oder eine Projektauflage tangiert wird, sind deshalb regelmässig gut beraten, Einwendungen gegen die aufgelegten Projekte zu erheben, da sie ihre Rechte nur so wahren können. Verzichten sie demgegenüber auf Einwendungen, so ergeht schliesslich ein rechtskräftiger Entscheid über das Bauprojekt, welcher als Enteignungstitel gilt. Gestützt auf den so erlangten Enteignungstitel kann den Grundeigentümern bei Nichteinigung sodann das benötigte Land (z.B. für den Strassenausbau, für Sichtzonen, für Vergrösserungen von Busbuchten etc.) entzogen werden.

In den Projekt- und Auflageakten finden sich jeweils der Landerwerbsplan sowie die Landerwerbstabelle. Diesen lässt sich entnehmen, welche Landflächen vom jeweiligen Grundeigentümer für die Umsetzung des Projekts benötigt werden. Der jeweilige Grundeigentümer kann diesen Dokumenten quadratmetergenau ent-nehmen, welche Landflächen abzutreten sind und/oder welche nur vorübergehend beansprucht werden. Den diesbezüglichen Dokumenten lässt sich jedoch nicht entnehmen, welche Entschädigung ein Grundeigentümer für die abzutretenden Landflächen erhält. Es werden auch keine diesbezüglichen Hinweise gemacht. Für diesbezügliche Angaben und Hinweise sowie die definitive Festlegung wird in den Bewilligungsverfahren jeweils auf die nachgelagerten Enteignungsverfahren verwiesen.

Eine vergleichbare Situation kann für Grundeigentümer beispielsweise auch bei einer Ausdehnung von Schutzzonen mit entsprechenden Einschränkungen in der Bewirtschaftung oder zusätzlichen Bauauflagen beobachtet werden. Auch hier werden (z.B. im Zusammenhang mit Quellfassungen) Verfügungen erlassen, welche nach deren Rechtskraft Enteignungstitel darstellen. Auch hier wird die Entschädigungsfrage erst in einem der Verfügung der Nutzungsbeschränkung nachgelagerten Verfahren geklärt.

In zahlreichen, insbesondere kleinere Landflächen betreffenden oder geringfügigerere Nutzungseinschränkungen, Mindererträge oder Mehraufwände verursachenden Fällen dürften wohl kaum stets absolut funda-mentale und unüberwindbare Differenzen zwischen betroffenen Grundeigentümern und der Behörde bestehen. Würde Grundeigentümern, statt einem nichtssagenden Verweis auf die Festlegung der Entschädigung im nachfolgenden Enteignungsverfahren, schon zu Beginn ein verwertbarer Hinweis zur Höhe der Entschädigung gemacht, so könnten diese frühzeitig eine mögliche Einigungslösung und einen Verzicht auf Einwendungen, Beschwerden oder einen Rückzug in Betracht ziehen. Damit könnten die Dauer der Bewilligungsverfahren verkürzt und zudem die meist nicht mittels einer Entschädigung abgedeckten Parteikosten der betroffenen Grundeigentümer wohl in zahlreichen Fällen vermieden werden.

In der Praxis wird z.B. im Rahmen von Einwendungsverhandlungen häufig versucht, Einigungslösungen zu erzielen. Dabei werden von den Behörden zwar jeweils Grössenordnungen von Entschädigungen angesprochen, diese können jedoch nicht verbindlich fixiert werden. Die Grundeigentümer sind in diesem Fall folglich gehalten, z.B. die Einwendungen ohne Klärung der Entschädigung zurückzuziehen, im Wissen darum, dass der Enteignungstitel dann rechtskräftig wird und daran im Grundsatz nichts mehr zu ändern ist. Folglich ist ein Grundeigentümer, der sich damit nicht einverstanden erklären will, gehalten, gegen das eigentliche Verfahren und den Enteignungstitel an sich vorzugehen.

Der Regierungsrat wird in diesem Zusammenhang gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie beurteilt der Regierungsrat die aktuelle Rechtslage, wonach Grundeigentümerschaften bei Rückzug ihrer Einwendungen in Kauf nehmen müssen, dass trotz fehlender verbindlicher und vorgängiger Klärung der Entschädigungsfolgen, der jeweilige Enteignungstitel definitiv in Rechtskraft erwächst?
  2. Kann sich der Regierungsrat vorstellen, dass mehr Einigungen gefunden und die Verfahren beschleunigt werden könnten, wenn im Rahmen von Einwendungsverhandlungen für alle Parteien auch in Bezug auf Entschädigungen verbindliche Lösungen gefunden werden könnten und wenn ja, gibt es diesbezügliche Erfahrungswerte oder Anhaltspunkte.
  3. Ermöglicht es die geltende Rechtslage, betroffenen Grundeigentümern bereits mit der Bekanntgabe der zu beanspruchenden Flächen im Rahmen der Projektauflage die Höhe der Entschädigung der von diesen zu beanspruchenden Landflächen oder Rechten bekanntzugeben respektive zuzusichern?
  4. Falls dies aus gesetzgeberischen Gründen nicht möglich sein sollte, welche Anpassungen wären an den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen vorzunehmen, um dies zu ermöglichen?
  5. Könnten die Verfahrensschritte eventualiter so angepasst und optimiert werden, dass z.B. später erforderliche Zu- und Enteignungsverträge bereits in früheren Verfahrensschritten beigezogen und berücksichtigt werden?

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