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1. Augustrede Maya Bally in Dottikon

1. August 2024

Es ist mir eine sehr grosse Freude und Ehre, hier sein zu dürfen am Nationalfeiertag der Schweiz und eine Laudatio halten zu dürfen für unser Land, das den 733gsten Geburtstag feiert.

Da ich aus früheren Jahren einen direkten Bezug zu Dottikon habe, freut es mich natürlich besonders, heute hier sein zu dürfen. Als ehemalige langjährige Schulpflegepräsidentin von Hendschiken habe ich ein paar Jahre hier in der Kreisschulpflege mitgewirkt als Hendschiken mit der Oberstufe zum Verband Schulen am Maiengrün beigetreten war. Ich habe die gemeinsame Zusammenarbeit in sehr guter Erinnerung und bin dankbar dafür.

Zurück zur Schweiz. Ich sage es mit grosser Freude, ich bin stolz, Schweizerin zu sein und fühle mich sehr privilegiert, dass ich hier leben darf. Das liegt natürlich nicht allein an der Schönheit unseres Landes. Schauen Sie doch allein unser Kanton an, wie schön und vielseitig dieser ist. Ich fühle mich vor allem privilegiert wegen unseren demokratischen Strukturen.

Ich bin dankbar für unsere Demokratie, unsere föderalistischen Strukturen, mit allen Nachteilen, die es natürlich auch in diesem System gibt. Ich bin dankbar für unsere Meinungsfreiheit, für unsere Freiheit und Unabhängigkeit (nicht zu verwechseln mit Abschottung) und für die solidarische Grundhaltung. Und ich sage dies nicht nur, weil 1. August ist, sondern weil dies meine tiefe Überzeugung ist.

Unsere Gründerväter – zweifellos mit den Gründermüttern im Hintergrund – haben im 1291 mit dem Bundesbrief den Grundstein für unsere heutige Demokratie gelegt. Die Gründung der Schweiz im 1291 war wegweisend, weil sie die Grundlage für die politische Struktur, die Werte und Identität gelegt hat. Die Prinzipien der Selbstbestimmung, Föderalismus, Rechtsstaatlichkeit und gemeinsame Verteidigung wurden im Bundesbrief festgeschrieben.

Die wegweisende Entwicklung für unsere Demokratie ist mit dem Bundesvertrag von 1815 weitergegangen, wurde doch die Grundlage gelegt für die Entwicklung zum modernen schweizerischen Bundesstat, der dann im 1848 mit der neuen Bundesverfassung gegründet wurde. Und auch seither haben wir immer wieder wegweisende Entscheidungen getroffen und haben so ein einzigartiges System der direkten Demokratie etabliert, das den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft teilzuhaben.

Wegweisend, liebe Dottikerinnen, liebe Dottiker, Sie werden dieses Wort von mir heute noch ein paar Mal hören. Alle, die ein 1. August-Abzeichen gekauft haben, wissen, das das Motto «Wegweisend» heisst. Dies hat mich, gerade in der heutigen Zeit, sehr angesprochen und ich habe beschlossen, in meiner Rede darauf einzugehen. Wegweisend im Sinne von richtungsweisend, zukunftsweisend, entscheidend und manchmal sogar revolutionär.

Und wo stehen wir heute im 2024? Wir leben in einer Zeit immenser Herausforderungen, die uns wohl teilweise auch fast überfordern. Nebst verschiedenen Kriegsherden, verlangen die globalen Krisen in Wirtschaft und Umwelt aber auch bezüglich sozialer Gerechtigkeit nach wegweisenden Entscheidungen. Mit Verleugnung und «Kopf in den Sand stecken» werden die Herausforderungen nicht kleiner, auch nicht mit «dem Finger auf andere zeigen».

Uns in der Schweiz geht es nach wie vor gut, dies umso mehr im Vergleich mit dem Rest der Welt. Die Wirtschaft läuft gut, die Arbeitslosenrate ist tief, wir suchen fast überall nach wie vor händeringend nach Arbeitskräften, auch wenn es sich langsam abkühlt, die Teuerung hält sich einigermassen in Grenzen und wir haben gut funktionierende Strukturen in Verwaltung, Verkehr und Gesundheit.

Aber auch bei uns ist der Anteil der Bevölkerung gewachsen, der immer mehr Mühe hat, die Kosten zu stemmen ohne Sorgen, ob es wohl reicht oder die ein Einkommen haben, das nicht den Grundbedarf zu decken vermag. Wir merken vermehrt die Auswirkungen der Klimaveränderung, dieses Jahr zwar nicht mit einer ausgedehnten Hitzeperiode, aber mit übermässigen Niederschlägen. Dann zeigen sich auch immer mehr die Auswirkungen der Krisenherde auf der Welt, denn viele Menschen flüchten und wollen bei uns in der Schweiz leben. Und wir merken auch die Kehrseite einer florierenden Wirtschaft, die mehr Arbeitskräfte benötigt, als der Fundus der Schweiz her gibt, was in einer hohen Migration mündet.

Und in dieser wirklich nicht einfachen Situation nimmt leider auch bei uns die Polarisierung zu und die Bereitschaft ab, miteinander nach Lösungen zu suchen. Die Fronten verhärten sich, man lässt nichts anderes gelten, bzw. hört einander nicht mehr zu, bzw. will gar nicht wissen, was das Gegenüber beizutragen hat. Die Tendenz steigt, immer egoistischer unterwegs zu sein, immer alles zu wollen, dies möglichst billig, aber der Lohn darf dafür höher sein. Bei sich selbst hinzuschauen fällt schwer und über die eigenen Widersprüche kann man grosszügig hinwegschauen. Der Ton wird aggressiver, die Sachlichkeit geht verloren, Extremforderungen steigen und das gibt erst noch «Klicks», aus Sicht der Politiker und Politikerinnen betrachtet. Verzeiht, liebe Medienschaffende, aber das könnt Ihr nicht abstreiten, das ist der Zeitgeist.

Die Sozialen Medien tragen nicht gerade dazu bei, die Situation zu entschärfen, im Gegenteil. Wir werden immer stärker in unsere Informationsblase hineingezogen, es ist fast nicht möglich, sich dem zu entziehen, der Algorithmus ist nicht zu durchschauen. Wir vergessen, kritisch zu hinterfragen und nehmen die Informationsblase als sakrosankt, als DIE Wahrheit und erfahren andere Meinungen und Haltungen nur mit grosser Anstrengung. Ein Teufelskreis, der uns nicht näher zusammenrücken lässt.

Neu haben wir es mit der künstlichen Intelligenz noch schwerer, überhaupt zu erkennen, ob eine Information, eine Aussage, die jemandem in den Mund gelegt wird oder ein Foto überhaupt noch echt ist.

Und ob all dem werden wir immer negativer, fühlen uns schlechter und vergessen, dass wir nach wie vor sehr privilegiert sind in der Schweiz. Und wir vergessen auch, dass WIR ALLE unseren Beitrag zu leisten haben und nicht nur die anderen.

Liebe Dottikonerinnen und Dottikoner, unsere Vorfahren hätten nicht solch wegweisende Entscheidungen treffen können, wenn sie sich nicht zusammengerauft, wenn sie nicht direkt miteinander kommuniziert hätten. Auch nicht wenn sie alles Fremde und Neue kategorisch abgelehnt und Innovationen nicht zugelassen hätten und wenn sie nicht auch das Wohl der ganzen Gemeinschaft im Fokus gehabt hätten und nicht nur Partikulärinteressen.

Ihre Gemeinde hätte sich nicht so entwickelt, wenn nicht immer wieder auch wegweisende Entscheidungen gefällt worden wären, z.B. zur Ansiedlung von Firmen oder auch für ein gutes Bildungswesen und vieles mehr. Im Übrigen zeigt Ihr uns allen sehr schön wie verschiedene Kulturen gut und wohlwollend miteinander zusammenleben können, ganz gemäss Eurem Motto «Gläbti Gmeinsamkeit». Als ich mich etwas umgehört habe, wurde mir gesagt, Dottikon sei «unspektakulär stabil», das finde ich top. Ihr seid nicht immer gleicher Meinung, diskutiert, manchmal auch heftig und kontrovers und dann geht Ihr gemeinsam weiter.

Wie bereits gesagt, auch in Dottikon wurden viele wegweisende Entscheide gefällt bis zum heutigen Tag. Erlauben Sie mir, ein kleines Beispiel aus der neueren Zeit explizit zu erwähnen. Und es wundert wohl nicht, dass dieses Beispiel aus der Bildung kommt. Ihr seid bereit gewesen – auch wenn dazu unbestritten viele Diskussionen nötig waren – gross in die Erneuerung der Schulinformatik zu investieren. Ihr seid Pioniere gewesen mit der hohen Abdeckung mit IPADS und dann habt Ihr sogar weitsichtig, den Anwendungssupport finanziert, da diesbezüglich der Kanton blockiert hat. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie man rundum mit Respekt und auch ein wenig neidisch auf die Schulen Am Maiengrün geschaut hat.

Ich glaube, wir wollen alle, dass es uns in der Schweiz weiterhin gut geht und wir in vielen Bereichen Vorzeigeland sind. Damit wir dies schaffen und die grossen Herausforderungen meistern können, braucht es auch in Zukunft viele mutige und wegweisende Entscheidungen und Lösungen. Ich möchte nur ein paar wenige Bereiche erwähnen, bei denen dies zwingend notwendig ist:

  • Umweltschutz und Energiebeschaffung
  • Nachhaltige und produzierende Landwirtschaft
  • Nachhaltige Wirtschaft und Arbeitsmarkt
  • Bezahlbares und starkes Gesundheitswesen
  • Sichere Altersvorsorge
  • Migration und Integration

Und wie gesagt, diese Aufzählung ist nicht abschliessend.

Und was wir nie vergessen dürfen ist, dass Bildung und als Folge davon Forschung und Innovation DER Rohstoff der Schweiz ist und uns eben hilft, wegweisende Lösungen zu finden. Wir tun also gut daran, uns diesen Rohstoff zu erhalten.

Es wäre sicher nicht schlecht, den Pioniergeist von damals wieder etwas aufleben zu lassen und sich bewusst zu machen, dass WIR ALLE es in der Hand haben, unsere Zukunft wegweisend in die richtige Bahnen zu lenken. Und auch wenn unser Beitrag in einzelnen Bereichen im Verhältnis zur Gesamtwelt nur ein kleiner sein kann, so ist dies kein Grund, diesen nicht zu leisten, denn er kann ein heller Stern werden, der leuchtet und andere leitet.

Ich bin überzeugt, wir müssen uns die Tugenden der Schweiz immer wieder in’s Gedächtnis rufen. Freiheit und Unabhängigkeit, aber eben auch Gemeinschaft und Solidarität. Alles bedingt sich Gegenseitig, das eine geht nicht ohne das andere. Und – Es ist nicht gratis zu haben und war es noch nie!

  • Wir müssen dafür alle bei uns selbst anfangen und nicht nur nach den eigenen Vorteilen schreien, sondern fragen, was kann ich für die Gemeinschaft tun, was ist MEIN Beitrag, damit es uns allen gut gehen kann.
  • Wir müssen uns dafür aus unseren einseitigen Informationsblasen befreien, wieder miteinander in direkten Kontakt treten, das Verbindende suchen und das Trennende auf der Seite lassen.
  • Wir müssen dafür GEMEINSAM nach wegweisenden Lösungen suchen, um den grossen Herausforderungen zu begegnen.
  • Und wir müssen dafür weiterhin unsere demokratischen Strukturen hochhalten und sie uns bewahren.

Für mich ist dies unabdingbar, damit es uns weiterhin gut gehen kann und wir fähig bleiben wegweisende Entscheide zu fällen. Lasst uns den Pioniergeist und die Aufbruchstimmung wieder aufleben und dies unseren jungen Menschen und auch den Menschen, die vom Ausland zu uns kommen, vorleben und einfordern. Wir brauchen diese Einstellung für die nächsten wegweisenden Entscheide zum Wohle von uns allen.

In dem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen inspirierenden 1. August in unserer Gemeinschaft und danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

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