Unsere Website ist nicht für deine Browserversion optimiert.

Seite trotzdem ansehen

1. Augustrede Rita Brem in Rottenschwil

1. August 2024

Herzlichen Dank, dass ich heute hier in Rottenschwil zu Gast sein darf. Ich möchte nicht nur alle Schweizerinnen und Schweizer begrüssen, sondern alle die hier leben oder vielleicht auf Besuch sind. Ich habe mir überlegt, was ich denn heute erzählen soll. Als Patrioten loben, weil wir heute besonders an die Schweiz denken, nein. Die Zeit um 1291 hochhalten und besonders hervorheben, nein. Auch wenn damals der Geburtstag der Schweiz war. Aber es war auch eine Zeit von Armut, hoher Sterblichkeit, Brutalität, Kampf. Es war nicht nur alles gut. Aber die Schweiz hatte im Laufe der Jahrhunderte, v.a. bei Konflikten und in Verhandlungen immer wieder Glück, dafür dürfen wir auch dankbar sein.

Die 1. Augustfeier war für mich immer etwas Besonderes. Wir haben weit vom Dorf entfernt gewohnt. Mein Bruder und ich hatten jeweils ein rotes Lampion mit dem Schweizer Kreuz darauf, natürlich wollten wir die Kerze, natürlich eine Richtige darin bereit zu Hause anzünden. So ist dann jedes Jahr, mindestens ein Lampion in Flammen aufgegangen, natürlich mit einem riesigeren Geschrei. Den Eltern ist das dann einfach vergangen. Aber es kam viel besser. Jedes von uns bekam ein Päckli bengalische Zündhölzli, die man anzünden konnte, schwingen, dann lauteten sie in allen Farben. Ich weiss gar nicht ob es das noch gibt, sie waren einfach schön, es hat weder «klöpft no tätscht». Da passierte nicht viel, ausser etwa eine Blase an den Fingern. Später gab es ab und zu einen Vulkan und das war für uns Kinder sowas wie das Höhenfeuer. Bei schönem Wetter sah man von unserem Bauernhof aus den gesamten Lindenberg. 22 Höhenfeuer haben jeweils geleuchtet. Als wäre auf der anderen Seite der Reuss ein riesiger Geburtstagskuchen mit 22 leuchtenden Kerzen. Der Geburtstagskuchen ist immer noch, aber leuchten tut er nicht mehr fest. Die 1. Augustfeier ist ein bisschen versunken im riesigen Angebot von Aktivitäten, die heute geboten werden. Aber ist das dann weniger 1. August?

Wenn man Touristen fragt, was finden sie an der Schweiz am schönsten? Ist die erste Antwort selten die Menschen, sondern das Matterhorn, Luzern und in Rottenschwil wahrscheinlich die stille Reuss. Ich habe mich dann selbst gefragt, was ist mir wichtig, nebst der schönen Landschaft oder was ich immer mehr vermisse. Das erste ist der Respekt! Da gehört alles dazu, zuerst die Menschen, Tiere und unsere Umwelt. Der Umgang miteinander, der raue Ton hat weltweit zugenommen, auch in der Schweiz «man macht sich einfach fertig» die Politiker machen es aktuell in vielen Staaten vor. Man sucht, was man dem andern noch um die Ohren hauen kann. Es gibt genug die sich daran freuen, Trittbrettfahrer wo es schlussendlich in Gewalt endet. Was dann wiederum politisch verwendbar ist, denn schliesslich gehört man zu den Guten.

In der Arbeitswelt ist Respekt der Schlüssel zu einem guten Arbeitsklima. Ein respektvoller Umgang mit Kolleginnen und Kollegen schafft ein Umfeld, in dem sich jeder wertgeschätzt und sich motiviert fühlt. Dorthin gehe ich gerne arbeiten, sie auch?

Respektvolle Kommunikation, miteinander anständig sprechen. Wer anderen zuhört und ihre Standpunkte respektiert und das müssen gar nicht die gleichen Meinungen sein, findet oft auch einen Konsens ohne Gebrüll und Nebengeräuschen. In einer respektvollen Gesellschaft sind die Bürgerinnen und Bürger eher bereit, zum Gemeinwohl beizutragen und soziale Verantwortung zu übernehmen. Wenn ich sie so anschaue, habe ich das Gefühl, sie seien zufrieden. Sie sind freiwillig hierhergekommen, um gemeinsam einen schönen Abend zu verbringen. Natürlich, ich weiss einige müssen arbeiten. Danke und mein Respekt, dass sie das für uns heute tun.

In der Schweiz, in Städten und Dörfern, auch in Rottenschwil ist Integration, Flüchtlinge, Asyl ein grosses Thema. Als Sozialvorsteherin in Oberwil-Lieli, musste ich erst sehr viel lernen, als vor mehr als zwei Jahren plötzlich am gleichen Tag über 30 Personen mit Schutzstatus S dastanden, jeden Alters und in den unterschiedlichsten psychischen Verfassungen. Unterkunft war das einte, weil die Hilfsbereitschaft gross war, ist es gegangen. Aber auch Misstrauen, Angst, wohin alles führt, wie viele noch kommen, wie viele denn bleiben, ist von den Einheimischen an mich herangetragen worden. Und nur durch viele Gespräche, durch viel Zeit allen die Möglichkeit geben ihre Meinung zu sagen hat man ein Miteinander geschafft. In Aarau sagte Jean-Pierre Gallati, Rita ich finde du machst das gut. So gut wie möglich konnte ich es nur machen, weil auch noch heute viele Einheimische helfen und einen guten Umgang miteinander pflegen und das ist wahrscheinlich auch in dieser Gemeinde so, «zäme gohts». Ich denke, das war auch das Rezept unserer Vorfahren, nicht Einzelkämpfer sein, sondern «zäme gohts».

Gibt es noch mehr Werte als Respekt, wo mir am wichtigsten ist, das uns Schweizer besonders auszeichnet.

  • Natürlich die unterschiedlichsten Parteien, machen sich für verschiedenste Themen stark, wo man sich identifizieren kann oder könnte. Wo man sich wirklich auch eine eigene Meinung kann. Von rechts bis links ist alles zu haben. Von Tradition und Eigenständigkeit, florierender Wirtschaft, Sicherheit, Zuwanderung, das Gesundheitswesen, Altersvorsorge. Ja, es ist absolut wichtig: «Aber wer soll das bezahlen?» In diesem Wahljahr von Grossrat und Regierungsrat legt sich der Kanton Aargau wieder ins Zeug. Und dann gibt es plötzlich Politiker die viel sprechen und damit wenig sagen. Eben, darum ist Ihre Meinung wichtig.

„Werte sind wie Fingerabdrücke. Keiner hat dieselben, aber Du hinterlässt sie bei allem, was Du tust.“ ― Elvis Presley
Also nicht nur reden, machen!

  • Da kommt mir noch eine andere schweizerische Eigenschaft in den Sinn: Korrekt ich habe Google gefragt: dabei folgende Resultate zu schweizerischen Werten erhalten:
  • Abfall trennen•, gut, das mache ich auch, weiss dann aber nicht ganz ob es hier nur um Papier und Glas geht, oder anderen «Mist»
  • Sich zu prosten und Hände schütteln, sofort einverstanden, sie auch? Sie hätten Gelegenheit dazu
  • Pünktlichkeit • Ja, das erwarte ich auch von mir
  • Jassen oder Schwingen können. Jassen kann ich nicht, und beim Schwingen beim ersten Schwung würde ich auf dem Rücken im Sägemehl liegen. Also ein Punkt Abzug.
  • Kantönligeist • Der regt mich politisch ab und zu, handkehrum ist auch das ein Stück Freiheit, worauf wir in unserem Land so stolz sind
  • Der «5er und s’Weggli» Eine Win-Win Situation sagt man heute im Geschäftsleben, das wird angestrebt. Aber früher: «Chasch ned de 5-er ond sWeggli ha», nur vergessen wir das zwischendurch wieder.

Ich stelle fest, dass die Werte im Laufe der Zeit ändern, weil sie von vielen Faktoren beeinflusst werden, von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen. Es ist darum auch Zeit und was würde sich besser eignen, als der 1. August, zu reflektieren, was aktuell unsere Werte sind und uns selbst fragen, sind das Schweizer Werte, die ich von mir und den anderen verlange. Werte und Traditionen sollen Halt geben, Sicherheit und das Gefühl einer Einheit. In der Schweiz ist das passiert als die Überschwemmungen v.a. im Misox zur Zerstörung von Häusern, Strassen, Brücken und sogar Menschenleben gefordert hat. «Me esch zämegschtande» und plötzlich zählten andere Werte, wie Hilfsbereitschaft, Nahrung haben und überleben. Der Respekt für alle die irgendwie geholfen haben war, er landesweit spürbar.

Im letzten Monat gelangte ein Brief an die Gemeinden von Medicine sans frontieres, Ärzte ohne Grenzen, dass sie im Sudan nicht mehr weiterwissen. Hilfe vor Ort, so wie es häufig auch verlangt wird und sicher auch richtig ist, aber wenn die Medikamente fehlen die humanitäre Hilfe, Essen, Unterkunft, wie denn und sowieso, es ist ja weit weg. Als Schweizer haben wir auch eine Aufgabe, nämlich über den Tellerrand hinausschauen. Dankbar sein, dass wir in einem friedlichen Land geboren wurden oder hier leben können. Das haben wir nicht gewählt, wir haben es uns auch nicht verdient, es könnte auch umgekehrt sein. Und darum zählt auch Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, wo es nötig ist im In- oder Ausland, für mich zu den schweizerischen Werten.

Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich ein Teil dieser vielfältigen Schweiz bin und dass ich einen Beitrag leisten darf, unterschiedliche Haltungen, Traditionen und Werte weitergeben zu können.

Und nicht wahr, bei allem Respekt; was man gibt das kommt auch zurück.

Ich bedanke mich für’s Zuhören, einen guten Abend und einen schönen ersten August wo immer sie diesen auch feiern. «Häbet sie sech Sorg» und Prost miteinander.

Ansprechperson

Engagiere dich